Die Ausländermaut als Aufstiegshilfe
Er wurde verhöhnt und bekämpft. Doch der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lieferte mit der Maut sein Meisterstück ab. Sein Chef Horst Seehofer wird es ihm bei der weiteren Karriere nicht vergessen.
Ganz zum Schluss, als seine Ausländermaut in Deutschland die letzte Hürde nahm – also den Bundesrat passierte –, da konnte der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) doch nicht mehr an sich halten. Diese ewige „Ösi-Maut-Maulerei“sei doch wirklich nervig. Eine „Maut-Schizophrenie“diagnostizierte er mit Blick gen Wien auch.
Harte Worte. Dabei war Dobrindt die Jahre zuvor oft sehr beherrscht gewesen. „Die Infrastrukturabgabe ist fair, sinnvoll und gerecht“, erklärte er ein ums andere Mal in ruhigem, aber bestimmtem Ton – im Bundestag oder bei Pressekonferenzen.
Mission erfüllt
Nun hat er es geschafft. In Deutschland stimmte zuletzt auch der Bundesrat zu, jetzt muss nur noch der neue Bundespräsident Frank-Walter Stein meier das Infrastruktur abgaben gesetz unterschreiben, und nach diesem Formal akt kann Dobrindt nicht ohne Stolz endgültig nach München vermelden: Mission erfüllt.
Selbst seine politischen Gegner zollen ihm für diese Hartnäckigkeit und sein Durchsetzungsvermögen Respekt. Gleichzeitig aber setzen sie auf die vom österreichischen Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SP) angekündigte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Noch also ist das Match nicht gewonnen. Oder verloren – je nach Sichtweise.
Die Maut jedenfalls stärkt das Standing Dobrindts in der CSU enorm. In dem fragilen Konstrukt aus Seilschaften, persönlicher Gunst von Horst Seehofer und den Befindlichkeiten der mächtigen bayerischen Bezirksorganisationen steht er sehr fest am Boden.
Und dennoch: Als Nachfolger für Seehofer – an der Spitze der CSU und der bayerischen Staatskanzlei – gilt Dobrindt auch nach seinem Mautcoup nicht. Um zu verstehen, warum er dort vielleicht nicht gut aufgehoben wäre, muss man sich ansehen, wo der 46-Jährige herkommt.
Schon sein außerparteilicher Werdegang ist nicht CSU-typisch. Dobrindt, der aus dem oberbaye- rischen Peißenberg, rund 80 Kilometer südwestlich von München, stammt, hat Zivildienst geleistet und Soziologie studiert. Zunächst war er in der Kommunalpolitik aktiv, seit 2002 ist er im Bundestag.
2009 brauchte Seehofer einen neuen Generalsekretär. Dobrindt zog in die CSU-Zentrale in München ein und analysierte gleich einmal die katastrophale Niederlage der Landtagswahl 2008 .
Haudrauf in München
Bei dieser Wahl hatte die CSU 17,3 Prozentpunkte sowie zum ersten Mal seit 1962 ihre absolute Mehrheit verloren und musste – welch Schmach – eine Koalition mit der FDP eingehen.
Dobrindts Schlussfolgerung: Die CSU müsse viel angriffiger werden. Und sie müsse die Grünen bekämpfen, die in bürgerliche Milieus einzudringen drohten. Also gab er den Haudrauf, nannte die Grünen den „politischen Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern“, verunglimpfte ihren Innenexperten Volker Beck als „Vorsitzenden der Pädophilen-AG“, beschimpfte EZBChef Mario Draghi als „Falschmünzer“und nannte Homosexuelle eine „schrille Minderheit“.
Äußerlich ähnelte er zu Anfang eher Franz Josef Strauß: Dobrindt steckte wohlgenährt in Trachtenanzügen. Und er ersann für den Landtags- und Bundestagswahlkampf 2013 die Ausländermaut. Das Ergebnis war für Seehofer äußerst zufriedenstellend, die CSU holte wieder die Absolute.
Sprung ins Ministerium
Allerdings wollten in Berlin die Spötter nicht verstummen, die meinten, die Ausländermaut sei doch nur ein Wahlkampfgag gewesen. Sie sollten nicht recht behalten. Seehofer schickte Dobrindt 2013 als Verkehrsminister nach Berlin, jetzt sollte er die Maut auch umsetzen.
Im Ministerium lernte man einen anderen Dobrindt kennen: Er war 20 Kilogramm leichter, trug eine markante Brille sowie auffällige Anzüge, von denen es einer bis in die ZDF- Heute-Show schaffte. Er brüllte nicht mehr, sondern flüsterte und zog mit Beharrlichkeit alle auf seine Seite: Angela Merkel, die skeptische SPD, die misstrauische EU-Kommission, zuletzt sogar die Linke.
Auch Linke stimmte zu
Denn bei der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat am Freitag vor einer Woche drehte ausgerechnet das unter Führung des Linken Bodo Ramelow regierte rot-rot-grüne Thüringen bei und machte den Weg frei. Dobrindt hatte zuvor die Förderung eines lokalen Bahnprojektes versprochen und Seehofer – so munkelt man in Berlin – mit Konsequenzen beim Länderfinanzausgleich gedroht.
Nun soll die Maut ab 2019 eingehoben werden – wenn nicht der EuGH noch vorher das Stoppschild aufstellt. Fürs Erste aber hat Dobrindt gewonnen.
Eigentlich würde er sich mit seiner Maut-Arbeit sehr als Nachfolger von Seehofer empfehlen. Aber dazu wird es wohl nicht kommen, ein Ministerpräsident Dobrindt ist nicht gut vorstellbar. Denn der Minister ist nicht volksnah. Viele sagen, der Berliner Dobrindt sei der eigentliche Dobrindt – nicht der laute und rüpelhafte von früher aus Bayern.
Dobrindt werden aber Ambitionen auf den Vorsitz der CSU-Landesgruppe im Bundestag nachgesagt. Auf diesem Posten vertritt man die CSU-Politik in Berlin, es ist ein Amt mit sehr viel Einfluss. Die aktuelle Chefin, Gerda Hasselfeldt, tritt ohnehin ab. Seehofer wird schon wissen, was er macht.