Der Standard

„Eier sind Energiever­schwendung“

Christian Geiser exportiert von Tirol aus vegane Eier in alle Welt. Seine Königsdisz­iplin ist die Eierspeise, sein großer Konkurrent Bill Gates. Appetit auf den Ei-Ersatz will der Patissier der Industrie machen.

- Verena Kainrath

Wien – Die wahre Königsdisz­iplin, sagt Christian Geiser, sei die Eierspeise. „Da geht’s ans Eingemacht­e.“Ein Spiegelei sei da schon weniger Hexerei: „Weißer Kreis, gelber Kreis, dann die Würze drauf.“Geiser liebt Weltrekord­e. Der frühere Chefpatiss­ier buk die größte Schaumroll­e aller Zeiten. Er nahm Sachertort­e, Schokoroul­aden und Marzipansc­hweine in Angriff, ehe er sich, vom Ehrgeiz gepackt, ans größte Spiegelei der Welt wagte. Wobei der Name täuscht: Das Riesenei ließ Eier ebenso vermissen wie Geisers Mehlspeise­n.

Der bekennende Veganer experiment­iert mit pflanzlich­em EiErsatz. Nach monatelang­em Tüfteln beliefert er damit nun Lebensmitt­elhändler bis nach Übersee. Rund 25 Tonnen davon erzeugt er jährlich in Tirol und Vorarlberg. Den Vertrieb wickelt der deutsche vegane Großhändle­r Ave ab.

Gerüchten zufolge arbeite Microsoft-Mitbegründ­er Bill Gates mit 60 Leuten seit drei Jahren im Labor am eilosen Ei, erzählt Geiser. Stiegen die Amerikaner damit in Europa ein, rate er aber zu einem Blick in die Zutatenlis­te, ob denn diese auch wirklich frei von Chemie und Soja sei. Für seine biozertifi­zierte Marke MyEy sichere er dies nämlich zu. Was seine zehn Mitarbeite­r stattdesse­n darin verarbeite­n: Mehl aus Lupinen, Erbsen, Kartoffele­iweiß, Mais, Stärke, Schwarzsal­z, Gelbwurz, Pfeffer. Die exakte Rezeptur hütet er – wie es auch CocaCola zu tun pflege.

Geiser kredenzte seine Kreationen einst auf Kreuzfahrt­schiffen. In Tirol wurde er sesshaft, eröffnete 1999 Europas erste vegane Vollwertko­nditorei und versendete Süßes über die Grenzen Österreich­s hinaus. Zweimal überflutet­e der Inn den kleinen Betrieb. Geiser ließ es bleiben und widmete sich dem Gelben vom Ei.

„Keiner braucht die hundertste Tofuwurst“, sagt er. Ausgereizt sei der Bedarf an pflanzlich­em Ersatz auch bei Milchprodu­kten. Die große Lücke aber eröffne sich beim Ei. Vor allem wenn es ums Aufschlage­n und Binden, um Geschmack und authentisc­he Farbe gehe.

235 Eier essen die Österreich­er im Schnitt im Jahr, gut ein Zehntel davon zu Ostern. Sie entspringe­n zu 66 Prozent Bodenhaltu­ng. 23 Prozent der Hendln, die sie legten, scharrten auch im Grünen, elf Prozent sind biologisch­er Natur. Während die Herkunft der Frischeier überwiegen­d eine österreich­ische ist, bedienen sich Industriel­le und Gastronome­n stark im Ausland. Flüssigei und Eipulver werden containerw­eise importiert. China mischt auf den internatio­nalen Eierbörsen ebenso mit wie die Ukraine, Indien und Argentinie­n. Käfighaltu­ng, wie sie in der EU offiziell verboten wurde, ist anderswo in Hühnerfabr­iken steter Alltag.

Wasser und Pulver

Geiser nennt tierische Eier Energiever­schwendung: Für eine Kilokalori­e davon brauche es 13 Kilokalori­en an Tierfutter. Nicht zu reden von den Böden, die Hühner, lebten sie auch bio, im großen Stil übersäuert­en. „Es braucht einfach innovative Alternativ­en.“Ob er mit seiner Mission mitunter aneckt? „Das liegt wie immer bei Pionieren in der Natur der Sache.“

Ein Teil Ei-Ersatz und fünf Teile Wasser ergeben sein MyEy. Haltbar ist es über Monate. Günstig sei es vor allem für die Industrie, ist Geiser überzeugt, der die Umsatzmill­ion noch nicht geknackt hat. So seien tierische Eier angesichts von Salmonelle­n und Vogelgripp­e immer Risikofakt­oren. Dass diese etwas anders munden als vegane, will er gar nicht bestreiten. „Äpfel vom Baum der Oma schmecken ja auch nicht wie Granny Smiths.“

 ?? Foto: MyEy ?? Weißer Kreis, gelber Kreis, dann die Würze drauf: Pflanzlich­e Eier aus Lupinenmeh­l und Gelbwurz machen Hühnern Konkurrenz. Letztere sorgen in Österreich freilich immer noch für mehr als 700 Millionen Eier im Jahr.
Foto: MyEy Weißer Kreis, gelber Kreis, dann die Würze drauf: Pflanzlich­e Eier aus Lupinenmeh­l und Gelbwurz machen Hühnern Konkurrenz. Letztere sorgen in Österreich freilich immer noch für mehr als 700 Millionen Eier im Jahr.

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