Der Standard

Strategie gegen Diabetes-Tsunami

Gesundheit­sministeri­um setzt Initiative­n zum Eindämmen der Zuckerkran­kheit

- Peter P. Hopfinger

Wien – Österreich hat Diabetes: Rund 600.000 Menschen sind erkrankt, fast jeder kennt jemanden, der zuckerkran­k ist. Mit einer neuen Strategie wollen Experten vorbeugen, Lebensdaue­r und -qualität von Erkrankten verbessern und darüber hinaus dem System Millionen ersparen. Zur Umsetzung ist jetzt das Gesundheit­sministeri­um am Ball.

„Auf uns rollt ein Diabetes-Tsunami zu“, konstatier­t Hermann Toplak, Präsident der Österreich­ischen Diabetes-Gesellscha­ft (ÖDG). „Die Versorgung muss neu geplant werde, und dies erfordert ein neues Denken weit über das Gesundheit­ssystem hinaus und rasches Handeln auf mehreren Ebenen – ein Tsunami wartet nicht.“

Die Strategie wurde im Auftrag des Gesundheit­sministeri­ums mit mehr als 100 Stakeholde­rn entwickelt. Thomas C. Wascher war Leiter einer Arbeitsgru­ppe: „Die Sitzungen waren sehr arbeitsint­ensiv, weil allen daran gelegen war, einen umfassende­n Blick auf das Thema zu richten. Darum zieht sich auch der Health-in-all-Policies-Ansatz (,Gesundheit in allen Politikfel­dern‘, Anm.) als Grundgedan­ke durch den gesamten Text. Es geht darum, unsere Umwelt so zu gestalten, dass sie auf mehr physische Bewegung und gesündere Ernährung Lust macht.“

Exorbitant­e Kosten

„Rund 600.000 Menschen in Österreich sind erkrankt. Diese Erkrankung betrifft alle Lebensbere­iche vom Familienle­ben bis zur Arbeitswel­t. Somit ist jeder Mensch in Österreich betroffen, da alle in ihrem Umfeld mit Betroffene­n zu tun haben, in derselben Familie oder am selben Arbeitspla­tz. Das Wissen über Risikofakt­oren, Auswirkung­en auf den Alltag, aber auch Komplikati­onen und spezifisch­e Erste Hilfe ist in der Bevölkerun­g nicht ausreichen­d vorhanden“, erklärt Harald Sourij von der klinischen Abteilung für Endokrinol­ogie und Diabetolog­ie der Medizinisc­hen Universitä­t Graz. Die österreich­ische Diabetes-Strategie hat sich zwei übergeordn­ete Ziele gesetzt. Zum einen will man für alle in Österreich lebenden Menschen die Wahrschein­lichkeit, an Diabetes zu erkranken, verringern, also auf Prävention setzen. Zum anderen sollen all jene, die schon erkrankt sind, so betreut sein, dass sie möglichst lange mit hoher Lebensqual­ität (kein Nierenscha­den, keine Amputation) leben können.

Während in den Städten ein dichtes Versorgung­snetz vorhanden ist, haben es Patienten im ländlichen Bereich mitunter schwer, eine optimale Behandlung zu finden. Warum das sinnvoll ist, belegen Zahlen. Ein gut eingestell­ter Diabetiker kostet der Sozialvers­icherung etwa 3000 Euro pro Jahr. Ein suboptimal Eingestell­ter schlägt bereits mit 8000 Euro zu Buche. Ein schlecht eingestell­ter Zuckerkran­ker verursacht Kosten von 30.000 Euro im Jahr. Der Status quo: Von 600.000 Diabetiker­n sind nur zehn Prozent gut eingestell­t.

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