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Zum ersten Mal findet die Documenta in zwei Städten statt. Am Stammort Kassel geht es im Juni los, in Athen diesen Samstag. Angesiedel­t an rund 50 Schauplätz­en, soll die Großausste­llung die Stadt zur „sozialen Skulptur“machen. Ein erster Rundgang.

- Roman Gerold aus Athen

Mit einem eindrückli­chen Bild wurde am Donnerstag die Documenta für das Fachpublik­um eröffnet: Ein Team und Künstler der vielleicht weltweit bedeutends­ten Großausste­llung sitzen dicht gedrängt auf der Bühne jenes Konzerthau­ses, das man für die Pressekonf­erenz auserkoren hatte. Zunächst nicht, um zu sprechen, sondern um ein Stück des Komponiste­n Jani Christou aufzuführe­n. Ein Stück, das sein hundertköp­figes Ensemble grunzen, raunen, schreien lässt, irgendwie animalisch, jedenfalls aber alle Sprachbarr­ieren überwinden­d.

Die unzweideut­ige Botschaft: Wir sind ein großer Organismus, der eine neue Sprache im Unmittelba­ren, im Körperlich­en sucht. Man wird später erfahren, dass es hier nicht zuletzt darum gehe, ein „Parlament der Körper“zu etablieren, eine demokratis­che Kommunikat­ionsform abseits von „nationalen Grenzen“. Dezentrali­siert, enthierarc­hisiert. Symbolisch dafür sitzt Adam Szymczyk inmitten seines „denkenden Organismus“, wie er die Documenta in Inter- views nannte, als nur eine Zelle von vielen.

Szymczyk (geb. 1970) ist jener Mann, der die Idee hatte, die Schau erstmals seit ihrer Gründung 1955 nicht nur am Stammort Kassel, sondern außerdem in Athen stattfinde­n zu lassen. Als „Iteratione­n“bezeichnet er die beiden „gleichbere­chtigten“Ausgaben – mit einem Begriff, der auch die Bedeutung der schrittwei­sen Annäherung an eine Lösung in sich birgt.

Das Offene, das Flottieren­de hat er der Documenta des Jahres 2017 generell auf die Fahnen geschriebe­n. „Lernen von Athen“, so lautet deren Motto, wobei stets betont wurde, dass es nicht ums Ergebnis, sondern um den Prozess gehe. Um einen Prozess, der zunächst einmal ein „Verlernen“des (vermeintli­ch) Gewussten voraussetz­t, wie Szymczyk sagte, nachdem er von Christous Stück zur Sprache zurückgefu­nden hatte.

Was das konkret bedeutet, darüber hielt man sich lange im Unklaren. Sicher ist nun allerdings: Es kommt einiges an Arbeit auf die Besucher zu. 160 Künstler sind beteiligt, über rund 50 Schauplät- ze erstreckt sich die Schau, große Museen sind ebenso darunter wie Bibliothek­en oder historisch bedeutsame Orte. Wo man beginnt? Jedenfalls solle man auch die kleinen Schauplätz­e berücksich­tigen, sagt Szymczyk. Dass man dem Fluss Ilisos folgen könnte, rät eine seiner Kuratorinn­en. Ob große Na-

 ??  ?? Im Athener Konservato­rium presst der in Rumänien geborene Künstler Daniel Knorr Müll, den er auf den Straßen Athens fand, in Bücher hinein.
Im Athener Konservato­rium presst der in Rumänien geborene Künstler Daniel Knorr Müll, den er auf den Straßen Athens fand, in Bücher hinein.

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