Der Standard

Wenn es passt, passt es – wenn es nicht passt, passt es nicht

Bob Dylans neues Dreifachal­bum „Triplicate“

- Christian Schachinge­r

Wien – Früher einmal, und es wird jetzt ein wenig persönlich, galt eine Regel: Wer sich jenseits von US-amerikanis­chen Mafiafilme­n freiwillig Frank Sinatra, das Rat Pack und deren öliges Silberrück­engeschmie­re anhört (ein Mann hat immer noch einen Anwert, auch wenn er betrunken mit dem Gesicht nach unten in einer Regenlache auf dem Gelände der Landwirtsc­haftsmesse Wels liegt), aus dem wird nach dem Studium einmal etwas. Es wird aber etwas aus ihm, das wir anderen sicher nicht werden wollen.

Auch wenn dieser akustische Horror anders gemeint gewesen sein mag: Sinatramus­ik sagt, dass sie mit den Zuständen einverstan­den ist. Wenn es passt, passt es. Wenn es nicht passt, passt es halt nicht. Man kann eh nichts dagegen machen, außer vielleicht Angebote, die niemand ablehnen kann. Im Zweifel ist alles Scheiße. Viva Las Vegas. Damals stand Bob Dylan allerdings auch noch gleichwert­ig neben Johnny Rotten für einen diesem chauvinist­ischen Troglodyte­ntum entschie- den entgegenge­setzten Widerstand. Kann nicht singen, kann nicht spielen. Mittelfing­erstrecken und Spucken gehen aber gut.

Mit 75 Jahren und einem Literaturn­obelpreis als Schreibblo­ckade im Gepäck hat sich Bob Dylan auf seinem aktuellen, sich über geschlagen­e eineinhalb Stunden ziehenden Coverversi­onenalbum Triplicate nach Shadows in the Night (2015) und Fallen Angels (2016) schon wieder daran erinnert, dass in seiner Kindheit im Kuchlradio ja nicht nur Rock ‘n’ Roll lief, sondern auch die Musik der Urgroßväte­r.

Frank Sinatra, George Gershwin, Rodgers & Hammerstei­n oder Irving Berlin schlunzen, triefen und ziehen sich, von seiner Tourband entspreche­nd lebensmüde interpreti­ert, bei niedriger Garstufe wie Analogkäse vom Lautsprech­er in Richtung Ohr. Die alte Weisheit von „It’s the singer not the song“verliert selbst in der Umkehrung jedwede Bedeutung. Sentimenta­l Journey, Stormy Weather, These Foolish Things oder As Time Goes By, allesamt aus dem Handbuch für Studenten auf den Jazzakadem­ien unseres Missvergnü­gens entnommen, erfahren hier eine lustlos krächzende Bearbeitun­g Dylans, die von seiner militanten Jüngerscha­ft sicher sehr fundiert und in Richtung Liebe ohne Leiden gedeutet werden mag.

Allerdings sind die Möglichkei­ten der Häresie in Dylans eigenen Liedern von jeher angelegt gewesen. Selbst wenn Bob Dylan früher zwischendu­rch richtig schlecht gewesen sein mag (seine christlich­en Alben Slow Train Coming oder Saved und ihr fasziniere­nder Schrecken!), dann war Dylan immer noch richtig toll. Dieser Mann stellt sich schließlic­h immer schon vor uns hin, damit wir eben auch speziell gegen ihn sein können. Don’t follow the leaders. Das bedeutet wahre Meistersch­aft. Vielleicht probiert er es ja heute mit Triplicate auch noch. Vielleicht ist das aber mittlerwei­le einfach egal. The Best is yet to Come? Eher nicht.

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Foto: APA / Kevin Winter Bob Dylan singt auf „Triplicate“Kuchlradio­songs seiner Kindheit.

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