Würfelndes Fleisch und entfesselnde Geräte
Performances beim Donaufestival: Karl Karner & Linda Samaraweerová, Kris Verdonck und Doris Uhlich
Krems – Überschreitet man den Rubikon, gibt es kein Zurück mehr. Wie für Cäsar, der einst an dessen Ufer sein „Alea iacta est“formulierte. Der Künstler Karl Karner und die Performerin Linda Samaraweerová tanzen zwar nicht mit dem Imperator, aber wenn sie zum Würfeln III einladen, geht es um Worte. Wie zum Beispiel: „In der Ordnung und der Kontrolle liegt das Fremde, die Unsicherheit, meine Rastlosigkeit.“
Und es geht um Übersetzungen. Cäsar sagte, „die Würfel sind geworfen“(nicht „gefallen“). Oder er hat „anerriphtho kybos“gerufen, das wäre griechisch und hieße: „Hochgeworfen sei der Würfel.“
Hoch passt zu Karner und Samaraweerová, die den Wiener Musiker Sir Tralala vor zwei Jahren beim ersten Teil ihres Würfelspiels singen ließen: „Irgendwann wird gewürfelt, und dann sind wir unerhört befreit, wie Kinder im Sandkasten. Rechte Hand, linkes Bein, und dann wird gebaut, zerlegt, geschoben und in die Welt hinausgetragen.“
Beim Donaufestival wird von 28. April bis 1. Mai wieder am Rubikon gewürfelt. Diesmal geht es zurück ins eigene Fremde. In die Kultivierung, ins Künstliche und ins Trugbild. Wie das endet, wird erst vor Ort festzustellen sein, denn die Zeiten cäsarischer Sager sind wieder Trumpf. Tralala: „Rechte Hand, linkes Bein und nichts als die Leere.“So viel wissen wir: Ein Film wird fließen, ein Festmahl ist versprochen und ein Jeansboy in Aussicht gestellt.
Sehr austriakische Aussichten also, passend zur heimischen Lei- denschaft für das Ausufernde. Bei Würfeln III sollen Musikmaschinen mitmachen, was bei Doris Uhlichs Habitat in der Dominikanerkirche am 28. und 29. April nur bedingt der Fall sein wird, denn da steht Boris Kopeinig am Soundgerät. Aber üppig wird’s auch da, einerseits gibt es nacktes Fleisch zu bestaunen und das zum anderen je fünf Stunden lang. Die österreichische Choreografin verstrickt rund dreißig Performer zu einem sogenannten Gesellschaftskörper.
So etwas würde dem Belgier Kris Verdonck nie einfallen. Während seiner Maschinenrevue In Void, während der gesamten Festivaldauer zu sehen, taucht das Fleisch nur in Form des Publikums auf. Karner und Samaraweerová gestalten Begegnungen zwischen Körpern und Konstruktionen, doch Verdonck räumt die Biomasse ganz von der Bühne, und ehe man sich’s versieht, tritt ein mechanisches Ballett auf. Als Witz natürlich und möglicherweise als ernste Diagnose.
Fazit: Verdonck stellt naive Technikbegeisterung bloß, Karner/Samaraweerová ironisieren den allgegenwärtigen Psychodilettantismus und Uhlich feiert das von seinesgleichen angezogene Menschenfleisch. Gut, dass am 5. und 6. Mai das Duo Quarto mit dem Lasso auftritt: In ihrer Choreografie Durational Rope werden Anna af Sillén de Mesquita und Leandro Zappala einen Kilometer Seil schwingen. Ihr Fleisch verstecken sie hinter Masken, aber ihr Strick peitscht die Luft und fesselt den Blick. pAlle Zeiten, Karten und Reservie
rungen: www.donaufestival.at