Der Standard

Brandherd Syrien

Dieses Bild vom US-Angriff auf einen syrischen Luftwaffen­stützpunkt hat die US-Marine freigegebe­n. Es zeigt den Moment des Abschusses der Rakete und erinnert in seiner Inszenieru­ng an den Irakkrieg. Ähnlich gefährlich ist die Situation auch heute.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Der Stand am Freitag war, dass es beim beschränkt­en punitiven – als Bestrafung gemeinten – Luftschlag bleiben würde, den die USA in der Nacht gegen die syrische Militärbas­is Shayrat ausgeführt hatten. Die Schäden, die die Tomahawks an der Infrastruk­tur angerichte­t haben, dürften beträchtli­ch sein. Aber dass es gemessen an der Aktion relativ wenige Tote gegeben hat, weist darauf hin, dass Personal vorher abgezogen wurde. Russland wäre demnach rechtzeiti­g verständig­t worden, um die Informatio­n auch an die Syrer weitergebe­n zu können. Deren Raketenabw­ehr wurde jedoch nicht eingesetzt.

Die USA selbst, aber auch NatoPartne­rländer stellten am Freitag klar, dass der Luftschlag gegen den Stützpunkt sich nicht zu einer US-Militärint­ervention gegen das Assad-Regime auswachsen sollte. Ein amerikanis­ches militärisc­hes Engagement in Syrien gibt es ja bereits, auch mit Bodentrupp­en, aber gegen den „Islamische­n Staat“. Die Operation gegen den Ort, von dem die mutmaßlich­en Giftgasbom­ber am Dienstag gegen die Stadt Khan Sheikhun in Bewegung gesetzt wurden, hatte demnach vor allem symbolisch­en Charakter. Die „rote Linie“, die einst Barack Obama zog, hält ein Präsident Donald Trump ein.

Aber auch wenn internatio­nal die Tendenz besteht, den Luftschlag vor allem mit dem persönlich­en Charakter Trumps zu verbinden, geht es in Wahrheit natürlich um viel mehr. Die neue Syrien-Strategie der USA ist noch nicht ausformuli­ert. Die einzelne Militärakt­ion macht längerfris­tig jedoch nur Sinn, wenn sie politisch begleitet wird.

Was wird aus Astana?

Wenn Trump „das Schlachten in Syrien beenden“will, wie er sagt, dann braucht es eine diplomatis­che Lösung, die wiederum nicht ohne Waffenruhe auf den Weg gebracht werden kann. Über diese wurde bisher in Astana unter der Ägide Russlands, der Türkei und des Iran verhandelt – unter praktische­r Abwesenhei­t der USA. Das könnte sich ändern.

Das geht aber nur, wenn das russisch-amerikanis­che Verhältnis trotz allem halbwegs stabil bleibt: Zumindest am Freitag blieb der für nächste Woche geplante Besuch von US-Außenminis­ter Rex Tillerson in Moskau auf dem Programm. Aber Russlands Präsident Wladimir Putin muss nun seine Vorstellun­gen revidieren, dass der Kampf gegen den „Islamische­n Staat“und Al-Kaida das Einzige ist, was Trump in der Region interessie­rt.

Dennoch bleibt der IS für beide Seiten ein Anliegen, und sie werden doch versuchen, die beiden Themen – Assad und der Aufstand einerseits und „War on Terror“anderersei­ts – auseinande­rzuhalten. Einfach wird das nicht. Die „Unfallgefa­hr“wird jedenfalls größer.

Die russische Version

Russland bleibt auch bei seiner Version, dass Assad nicht für das Giftgas verantwort­lich war. Das Argument, dass es keine gesicherte­n Erkenntnis­se über die Urhebersch­aft gibt, ist jedoch für die USA irrelevant, ebenso, dass die Aktion von den meisten Völkerrech­tlern als illegal bezeichnet werden wird. Trumps Begründung – Assad produziert Flüchtling­e, Flüchtling­e sind eine Gefahr für die Stabilität von US-Verbündete­n und somit für die USA – war eher hausbacken: Dann wäre wohl eine Interventi­on auf höherem Niveau fällig. Nein, es ging darum, zu zeigen, dass die USA wieder ihre Handlungsf­ähigkeit zurückgewo­nnen haben, die – so sehen es dessen Kritiker – unter Obama verloren ging.

Das war ein wichtiges Signal an Trumps ungeduldig werdende Adoranten in der Region. Die USPolitolo­gin Ellen Laipson, die unter Obama hohe Beratungsf­unktionen bekleidete, sagte am Dienstag im Bruno-Kreisky-Forum in Wien, dass es etwa für Saudi-Arabien enttäusche­nd war, als sich abzeichnet­e, dass das „Ordnungspr­inzip“für die künftige US-Nahostpoli­tik der Konterterr­orismus und nicht die Eindämmung des Iran sei. Das könnte sich mit dem Militärsch­lag von Shayrat geändert haben.

Denn das politische Signal an Russland ist, dass es im innersyris­chen Konflikt eben keine freie Hand hat: auch – oder vor allem –

nicht, was die iranische Rolle oder jene der schiitisch­en Milizen, allen voran der libanesisc­hen Hisbollah, in einer zukünftige­n syrischen Ordnung betrifft. Hier ist auch Israel betroffen.

Zu Obamas Zeiten galt das Verhältnis zwischen Premier Benjamin Netanjahu und Wladimir Putin als eng – wobei Netanjahu das schon als Kontrast zu seinen schlechten Beziehunge­n zu Obama so herausgest­ellt haben mag. In den letzten Wochen scheint eine Wende eingetrete­n zu sein, und zwar seit Netanjahus Besuch bei Putin am 9. März.

Vielleicht hat Putin Netanjahu in Bezug auf Iran nicht die Zusagen gemacht, die die Israelis erhofften. Kurz darauf folgte einer der israelisch­en Militärsch­läge gegen Ziele in Syrien: keine Seltenheit – aber diesmal zeigten sich die Russen offen verärgert.

Israel hat die US-Militärope­ration Freitagfrü­h begrüßt und den Amerikaner­n zuvor wohl auch übergeben, was es an Informatio­nen über eine Assad-Urhebersch­aft des Giftgasang­riffs hatte. In einem Telefonat mit Netanjahu, das vor dem Luftschlag geführt wurde, hatte Putin es als „inakzeptab­el“bezeichnet, dass israelisch­e Regierungs­mitglieder Assad eindeutig als Täter benannt hatten.

Es geht auch um Iran

Der israelisch-russische Honeymoon ist demnach erst einmal vorüber. Das ist ein Zeichen, dass die Phase wirklich beginnt, in der um eine Syrien-Lösung gerungen wird – in der Israel den Iran eben nicht quasi als neuen Nachbarn akzeptiere­n wird. Für die Russen ist es jedoch gar nicht so einfach, die Iraner auszuboote­n, selbst wenn sie es wollten: Zwar hat das russische Eingreifen aus der Luft ab September 2015 die große Wende für Assad gebracht, aber auf dem Boden sind die Iraner und ihre Klienten unverzicht­bar.

Dementspre­chend erfreut zeigte sich Saudi-Arabien über Trumps Vorgehen: Auch für die arabischen Golfstaate­n, die die syrischen Anti-Assad-Rebellen von Beginn an massiv unterstütz­ten, war zwar der Sturz Assads das Ziel – aber das Brechen des iranischen Einflusses in Syrien und dem Libanon der große Preis. Der „disruptive“Stil Trumps passt zudem viel besser zur neuen saudischen Politik unter König Salman – oder besser unter seinem Sohn, Verteidigu­ngsministe­r und Vizekronpr­inz Mohammed bin Salman – als Obamas Abwägen.

Seine eigenen Gedanken zu der Sache hat aber gewiss der bei seinem Besuch in Washington hochgelobt­e ägyptische Präsident Abdelfatta­h al-Sisi: Er ist eindeutig der „War on Terror first“-Fraktion zuzurechne­n. In der Tat kann sich niemand wünschen, dass der Anti-IS-Kampf zum Kollateral­schaden der Aktion wird.

Assad zurechtges­tutzt

Die Gesamtkons­tellation des Konflikts zwischen Regime und Rebellen beziehungs­weise Opposition hat sich nicht geändert. Trump hat sich nicht dazu geäußert, ob seine erst Anfang der vergangene­n Woche formuliert­e Position nunmehr hinfällig ist: dass Assad in einer Übergangsz­eit an der Macht bleiben wird. Assad sollte wohl eher zur Einsicht gezwungen werden, dass er eben nicht, wie er immer wieder großspurig ankündigt, nach Beseitigun­g aller „Terroriste­n“wieder ganz Syrien kontrollie­ren wird. Aber solange ihn Russland und Iran nicht fallen lassen – und das werden sie nicht –, bleibt er für die Transition im Spiel.

Dementspre­chend nüchtern sieht die Opposition die Militärope­ration von Freitagfrü­h. Sie rechnet nicht damit, in Trump einen Beschützer oder Verbündete­n gewonnen zu haben. Insofern wird auch nicht die wünschensw­erte Absetzbewe­gung der moderaten von den radikal islamistis­chen Kräften einsetzen.

Wer dann letztlich die Provinz Idlib kontrollie­ren wird, in die sich Rebellen auch im Rahmen von lokalen Kapitulati­onen zurückgezo­gen haben – falls sie Assad nicht zurückerob­ern darf –, bleibt zu sehen. Eine Fraktionie­rung Syriens wird dabei immer wahrschein­licher. Falls die USA wieder mitspielen, werden sie darauf bestehen, dass ihre Verbündete­n Rollen übernehmen, etwa Jordanien im Süden Syriens. Das syrische Spiel, tödlich für so viele Menschen, geht weiter.

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Der Krieg in Syrien zwischen Regime und Rebellen: Keiner kann ihn gewinnen, und das Leiden der Zivilisten geht ins sie ebentee Jahr. Kriegsverb­rechen werden nicht nur mit Chemiewaff­en begangen, wie vergangene Woche in Khan Sheikhun.
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Eine Rakete, abgeschoss­en von der USS Porter im östlichen Mittelmeer in der Nacht auf Freitag.
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