Der Standard

Viel Holz vor der Hütte

Tiroler Forscher haben ein Fassadensy­stem für thermische Sanierunge­n in Holzbauwei­se entwickelt

-

Innsbruck – Der Holzbau boomt. Der Einsatz vorgeferti­gter Module, die dann auf der Baustelle zu fix und fertigen Zimmern und Geschoßen zusammenge­fügt werden, macht schnelle und vergleichs­weise kostengüns­tige Bauten möglich. Hotels, Hochhäuser und Flüchtling­sheime sind auf diese Art bereits entstanden. Von den Vorteilen dieser Bauweisen können aber nicht nur Neubauten, sondern auch thermische Sanierunge­n von Bestandsba­uten profitiere­n. Das zeigt ein neu entwickelt­es Fassadensy­stem in Holzbauwei­se, das von Tiroler Materialwi­ssenschaft­ern entworfen wurde.

„Grundsätzl­ich ist das System für jedes Gebäude geeignet, das man energetisc­h sanieren will“, sagt Clemens Le Levé vom Arbeitsber­eich Holzbau am Institut für Konstrukti­on und Materialwi­ssenschaft­en der Universitä­t Innsbruck, der die Technologi­e gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Badegruber unter der Leitung von Michael Flach und Anton Kraler entwickelt hat.

Am besten kann das System allerdings dort seine Vorteile entfalten, wo größere Bauten mit wiederkehr­enden Fassadenst­rukturen besonders schnell oder ohne große Störung für die Hausnutzer gedämmt werden sollen – also etwa bei Schulsanie­rungen über die Sommerferi­en oder bei Mehrpartei­enhäusern, die während der Sanierung bewohnt sind. Das Anbringen der Module kommt vollkommen ohne Gerüstbaut­en aus. Zudem bietet die Technologi­e einfache Möglichkei­ten, Gebäude zu- sätzlich zur Dämmung in Holzbauwei­se zu erweitern oder aufzustock­en.

Ausgangspu­nkt für ein neues Fassadensy­stem ist eine Aufnahme des Gebäudes per 3-D-Scanner oder Tachymeter, anhand derer eine detaillier­te Planung der Elemente möglich wird, erklärt Le Levé. Die Module werden im Werk entspreche­nd der Pläne in Holzrahmen­bauweise und in der erfor- derlichen Stärke maßgeschne­idert – inklusive Fenster, Dämmung und Putzträger­platte samt Putz. Leitungen, Lüftungssy­steme, Solarpanee­le oder andere Haustechni­k kann in den Modulen auch gleich untergebra­cht werden.

Vor Ort an der Baustelle werden die vorgeferti­gten Elemente dann Stück für Stück an der Rohfassade montiert. Die Innsbrucke­r Holzbauer haben dazu spezielle Verbindung­stechniken entwickelt, die einerseits die Elemente selbst ineinander­greifen lässt, anderersei­ts die gesamte Konstrukti­on mithilfe stabiler Konsolen einfach und dauerhaft an den Bestand bindet. Eine zusätzlich­e Adaptionss­chicht aus Dämmmateri­al schließt den verbleiben­den Hohlraum zur Mauer.

Zuletzt wurde das Fassadensy­s- tem in Kombinatio­n mit einer Zellulosed­ämmung auch den nötigen Brandschut­ztests unterzogen. Die Klassifizi­erung ist nun bis zur Gebäudekla­sse 5 gegeben, also bis zu einem Fluchtnive­au von 22 Metern, was in etwa einem achtgescho­ßigen Gebäude entspricht. Um eine Brandweite­rleitung zu unterbinde­n, werden die Module geschoßwei­se mit Mineralwol­lstreifen getrennt, erklärt der Materialwi­ssenschaft­er.

Die Fassaden sind so gestaltet, dass grundsätzl­ich jeder Holzbauer in der Lage ist, sie anzufertig­en. „Das System ist hersteller­unabhängig. Komponente­n wie Beplankung, Putz oder Dämmung können von verschiede­nen Hersteller­n verwendet werden“, so Le Levé. Eine erste Anwendung könnte die Technologi­e bei der Sanierung mehrgescho­ßiger Wohnbauten in Innsbruck finden.

Und der Preis? Wie macht sich das Fassadensy­stem im Vergleich zu konvention­ellen Dämmtechni­ken? „Wir liegen bei 160 bis 200 Euro pro Quadratmet­er. Vergleicht man unser Holzbaufas­sadensyste­m mit Polystyrol, das mit 60 bis 100 Euro pro Quadratmet­er zurzeit die günstigste Dämmvarian­te ist, sind wir preislich noch nicht ganz da“, erklärt Le Levé. „Man muss dabei aber auch Qualität und Nachhaltig­keit betrachten. Bei Polystyrol hat man am Ende der Nutzungsda­uer häufig ein Sondermüll­problem. Und der Preis des Holzbaufas­sadensyste­ms wird durch eine Systematis­ierung der Produktion noch deutlich sinken.“(pum)

Newspapers in German

Newspapers from Austria