Der Standard

Vergriffen

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So furchtbar sexuelle Gewalt an Kindern ist, so schwierig scheint es auch, öffentlich passende Worte für dieses Verbrechen zu finden.

Medien tun sich immer wieder schwer, sich so auszudrück­en, dass keine Objektifiz­ierung des Opfers oder Verharmlos­ung der Tat mitschwing­t. Dabei beeinfluss­en gerade Medien maßgeblich die Wahrnehmun­g dieser Gewalt in der Gesellscha­ft. Und sind in den meisten Fällen bestimmt auf der Seite der Opfer.

Eine Schlagzeil­e, die das Wort „Sexattacke“enthält, lässt aber anklingen, dass der Überfall etwas mit Sex zu tun hätte. Schreibt man „vergriffen“, implementi­ert das zumindest sprachlich, dass das Verbrechen sich irgendwo zwischen Ge- brauchsobj­ekt, Kavaliersd­elikt und tragischem Missgeschi­ck bewegt, so, wie man seine Brille nicht hingelegt, sondern eben blöderweis­e verlegt hat.

Dass ein Greifen statt des Vergreifen­s theoretisc­h möglich gewesen wäre. Wer ein Kind vergewalti­gt, vergreift sich nicht. Die Tat passiert nicht zufällig. Es geht dabei auch nicht um Sex, sondern um Machtausüb­ung, körperlich­e und seelische Schmerzen, bewusste Erniedrigu­ng und Zerstörung.

Handelt der Täter dabei im familiären Umfeld, ist das (oft lebenslang­e) Leiden besonders perfide. Solche Verbrechen sollten nicht unabsichtl­ich mit Worten entschärft oder mit lächerlich­en Strafrahme­n verharmlos­t werden. Dass es dennoch passiert, ist eine weitere Tragödie.

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