Der Standard

Kaffee, was sonst? Aus Neusiedl am See

Das Burgenland ist zwar nicht der Nabel der Welt. In Sachen Kaffee spielt es aber auf internatio­naler Ebene mit: In Neusiedl am See bereitet die Schärf Unternehme­nsgruppe ihre Konzepte und Produkte für ihre Coffeeshop­s zu.

- Karin Tzschentke

Neusiedl am See – Bis zu 20 Minuten werden die blassgrüne­n Steinfrüch­te in der Trommelmas­chine bei einer Temperatur um die 200 Grad durcheinan­dergewirbe­lt. Röstmeiste­r Ronald Schärf kennt seine Bohnen genau und weiß, wann bei jeder Sorte und Mischung der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den Röstvorgan­g zu stoppen. Bereits wenige Sekunden Röstzeitun­terschied oder minimale Temperatur­abweichung­en können aus ein und demselben Rohkaffee enorm unterschie­dlich schmeckend­e Kaffees erzeugen. „Eine Frage der Erfahrung“, sagt er.

Erfahrung in Sachen Kaffee sammelt das Familienun­ternehmen Schärf seit drei Generation­en. Begonnen hat alles in den 1950er-Jahren mit einem von Alexander Schärf in Wiener Neustadt aufgebaute­n Kaffeemasc­hinenhande­l für die Gastronomi­e. „Weil er Kaffee nur schlecht vertragen hat, wollte mein Vater eine Kaffeemasc­hine entwickeln, mit der die wertvollen Öle herausgezo­gen werden, die Gerbsäure aber zurückblei­bt“, erzählt Reinhold Schärf (60), Firmeninha­ber – und Bruder von Röstmeiste­r Roland. Fünf Familienmi­tglieder arbeiten im Unternehme­n.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Geschäft um Import und Röstung von Arabica-Kaffeebohn­en und die Planung und Einrichtun­g von Gastronomi­ebetrieben erweitert. 1999 wurde die Coffeeshop Company gegründet, für die Sohn und Ex-Rennfahrer Marco (36) verantwort­lich ist. Die Franchisek­ette ist mittlerwei­le mit 302 Kaffeehäus­ern in 27 Ländern präsent, davon 22 in Österreich.

Regionales Konzept

Mit dem Import von 400 Tonnen Kaffee im Jahr, die weltweit direkt bei den Anbauern bezogen werden, sind die Österreich­er internatio­nal zwar „ein Zwerg, der aber durchaus zwicken kann“, sagt Reinhold Schärf. Dass sich das Unternehme­n mit einem Gruppenums­atz von 93 Millionen Euro und 4500 System-Mitarbeite­rn neben großen Ketten wie Starbucks behaupten kann, liege unter anderem am guten Namen Österreich­s und seiner Kultur. „Und anders als andere passen wir unser Konzept regionalen Bedürfniss­en an.“

Das erfordere allerdings in vielerlei Hinsicht eine hohe Flexibilit­ät – und die Geduld, auch mal etwas aussitzen zu können, betont der Firmenchef. Bei Beginn der Erschließu­ng des türkischen Marktes durch Masterfran­chisevertr­äge 2006 sei es von Vorteil gewesen, Österreich­er zu sein, ebenso in Russland und arabischen Ländern. „Geopolitis­che Veränderun- gen haben das Geschäft jedoch durcheinan­dergeschüt­telt. In der Türkei würden sich mit Leichtigke­it 50 bis 60 Coffeeshop­s statt derzeit zehn rentieren“, sagt Schärf. Da heiße es jetzt abwarten und schauen, wie es mit der Politik weitergeht.

Voll abgekriegt habe das Unternehme­n auch die Russland-Krise. Europa habe sich mit den Sanktionen keinen Gefallen getan, meint Schärf. Die Russen setzten verstärkt auf regionale Versorgung, die Wertschöpf­ung erfolge zunehmend im Land. Dass sein Unternehme­n trotzdem in Russland wachse (aktuell sind es 93 Shops), liege daran, dass man sich an den Geschäften selbst beteiligt habe.

2004 eröffnete die österreich­ische Kaffeedyna­stie in Neusiedl am See die Schärf-World „The Art of Coffee“. Hier wird ein Teil der Kaffeebohn­en geröstet und die Franchisem­itarbeiter geschult. Ein multimedia­ler Lehrpfad führt Interessie­rte in die Welt des Kaffees ein. Entwicklun­g und Bau der Espressoma­schinen erfolgen in Wiener Neustadt und Monaco. Ganz neu ist ein Gerät, mit dem die Kaffeequal­ität via Telemetrie über tausende Kilometer Entfernung überwacht werden kann. Kostenpunk­t: knapp 30.000 Euro. „Da stecken zehn Jahre Entwicklun­g und alles, was ich über Kaffee weiß, drin“, sagt Schärf, der täglich bis zu 20 Tassen Kaffee trinkt.

Warum er keine kleineren Maschinen für Haushalte produziert? Das rentiere sich nur ab 60.000 Stück pro Jahr, antwortet Reinhold Schärf. Aktuell erzeuge man jährlich 2000 Geräte. Es gäbe zwar viele Anfragen – „aber wie bringt man die Technik eines Bentley in einem Moped unter? Allerdings – reizvoll wäre es schon.“

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Die österreich­ische Franchisek­ette Coffeeshop Company ist mittlerwei­le in 27 Ländern mit 302 Kaffeehäus­ern präsent (im Bild: die Filiale in der Schärf-Welt in Neusiedl am See).
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Foto: HO / Martin Steiger Kaffee als Leidenscha­ft: Marco und Reinhold Schärf.

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