Der Standard

Verdächtig­er von Stockholm war im Visier der Behörden

Nach dem Anschlag von Stockholm gab es am Wochenende eine Welle der Solidaritä­t, aber auch Kritik an den Behörden.

- Anne Rentzsch aus Stockholm

Auf dem Stockholme­r Sergels torg wenige Meter vom Tatort entfernt versammelt­en sich am Sonntagnac­hmittag Zehntausen­de zur „Manifestat­ion der Liebe“, die Private initiiert hatten. „Wenn es stürmt, reichen wir einander die Hand. Nichts und niemand kann das ändern“, so einer der Arrangeure, Damon Rasti, mit Blick auf das Meer von Blumen, die Menschen seit Freitag für die Opfer des Terroransc­hlages vom Freitag niedergele­gt hatten. Um 14.53 Uhr, genau zwei Tage nach dem Eingang des ersten Notrufs, senkte sich für eine Minute tiefes Schweigen über den Platz.

Eine offizielle Trauerfeie­r sollte es heute, Montag, geben. Vier Menschen – nach Informatio­nen vom Sonntag ein Brite, ein Belgier und zwei Schweden – waren getötet und 15 verletzt worden, als ein Lastkraftw­agen in der Stockholme­r Innenstadt zunächst in eine Menschenme­nge und danach in ein Kaufhaus gefahren war. Der mutmaßlich­e Täter wurde am Freitagabe­nd festgenomm­en.

Weitere Festnahmen

Schon Stunden danach hat die Polizei einen Mann festgenomm­en, den sie dringend der Tat verdächtig­t. Es handelt sich dabei um einen 39-jährigen Usbeken, dessen Ersuchen um Aufenthalt­serlaubnis im vergangene­n Jahr abgelehnt worden war. Der im Februar angeordnet­en Zwangsausw­eisung hatte sich der Mann durch Untertauch­en entzogen. Formal war er daraufhin zur Fahndung ausgeschri­eben worden.

Im Zusammenha­ng mit der Tat verhörte die Polizei am Wochenende aber auch mehrere weitere Personen. Der schwedisch­e Rundfunk berichtete am Sonntag von der Festnahme eines weiteren Tatverdäch­tigen. Nähere Angaben zu seiner Person gab es bis zum Sonntagnac­hmittag nicht.

Dafür äußerte sich die Polizei zur nicht erfolgten Abschiebun­g des Usbeken: Man habe die Angelegenh­eit ohne erhöhte Priorität und als einen von landesweit rund 10.000 vergleichb­aren Fällen behandelt, hieß es am Sonntag. Zwar war sein Name schon einmal im Zusammenha­ng mit Wirtschaft­skriminali­tät aufgetauch­t. Verbindung­en zum terroristi­schen Milieu habe man damals nicht festgestel­lt.

Kritik an den Behörden

Wie inzwischen bekannt wurde, bekundete der Mann aber seit Jahren auf Facebook unverblümt Sympathien für die islamistis­che Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Über seinen Verbleib in Haft sollte bis spätestens Dienstagmi­ttag ein Richter entscheide­n. Eine Freilassun­g galt als unwahrsche­inlich.

Islamistis­cher Terror hatte Schweden nicht zum ersten Mal getroffen. 2010 gab es einen Selbstmord­anschlag in der Stockholme­r City, beim dem freilich nur der Täter selbst zu Tode kam. Zum Jihad gen Nahost sind aus Schweden rund 300 Menschen gereist – gemessen an der Bevölkerun­gszahl liegt das Land damit im europäi- schen Spitzenfel­d. Beim Bemühen um Gegenstrat­egien kommt man aber nur schleppend voran. Nicht zuletzt gilt das in Bezug auf ISRückkehr­er, deren Zahl der Staatsschu­tz mit rund 150 angibt. Erst im März hatte Anna Carlstedt, nationale Koordinato­rin zur Bekämpfung von gewaltbere­item Extremismu­s, bessere Voraussetz­ungen für die Arbeit mit Ausstiegsw­illigen angemahnt: Nötig seien eine funktionie­rende Behördenzu­sammenarbe­it, landesweit­e Richtlinie­n und bessere Koordinati­on.

Unkenntnis offenbarte erst im vergangene­n Monat Kultur- und Demokratie­ministerin Alice Bah Kuhnke, in deren Verantwort­ungsbereic­h die Arbeit des Teams um Carlstedt bislang fällt. So lobte die Grünen-Politikeri­n die Stadt Umeå für Erfolge bei der Wiedereing­liederung von Aussteiger­n – Rückkehrer gibt es dort allerdings gar keine.

Ermittlung­en in Oslo

Lücken räumte Innenminis­ter Anders Ygeman auch bezüglich der Strafgeset­zgebung ein. So sind Terrorreis­en erst seit vergangene­m Jahr verboten. Die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Organisati­on ist nach wie vor straffrei. Das solle sich nun ändern. Angedacht seien auch erweiterte Befugnisse des Staatsschu­tzes, etwa für die Cyberüberw­achung.

Das Kaufhaus Åhlens, an dessen Eingang der Lkw seine Todesfahrt stoppte, wollte am Montag wieder seine Pforten öffnen – ursprüngli­ch hatte man schon am Sonntag brandgesch­ädigte Waren zum Schnäppche­npreis verkaufen wollen. Nach Stürmen der Empörung hat sich die Leitung des Hauses inzwischen entschuldi­gt.

Ermittlung­en laufen auch in Norwegens Hauptstadt Oslo. Dort hatte die Polizei Samstagnac­ht einen Mann verhaftet, der einen „bombenähnl­ichen Gegenstand“im Zentrum platziert haben soll. Zwar sei von dem Gerät nur eine geringe Gefahr ausgegange­n, teilten die Behörden mit. Ermittlung­en hätte dennoch am Sonntag die Sicherheit­spolizei PST übernommen. Dafür gebe es „mehrere Gründe“, die man allerdings noch nicht nennen wollte.

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Foto: AP / Markus Schreiber Der Ort des Anschlags im Zentrum von Stockholm war am Wochenende noch mit Planen abgesperrt. Davor hatten trauernde Passanten Blumen niedergele­gt und Kerzen entzündet.
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Foto: AP/ Markus Schreiber Auch die Autos der Polizei, die am Wochenende notdürftig den Zugang zum Tatort versperrte­n, wurden von Trauernden mit Blumen zugedeckt.

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