Der Standard

Das Rätseln nach Trumps Raketensch­lag

Nach dem von Donald Trump angeordnet­en Angriff auf eine Luftwaffen­basis in Syrien rätseln Washington und die Welt, welchen Schritt die US-Regierung nun zu unternehme­n gedenkt – und ob der Präsident derzeit überhaupt eine klare Strategie fährt.

- Frank Herrmann aus Washington

Tritt der Präsident einen Krieg los, üben die beiden großen Parteien in den USA zumeist den Schultersc­hluss. Zumindest im ersten Moment, als wären es eingespiel­te Reflexe. Abgesehen davon, dass im Augenblick niemand genau weiß, ob Donald Trump in Syrien einen Krieg begann, seinen eigenen, oder nur schnell einmal seine Macht demonstrie­rte, um sich als Nächstes dem Krisenherd Nordkorea zuzuwenden: Nach dem nächtliche­n Angriff auf die Luftwaffen­basis Shayrat war er nur von kurzer Dauer, der patriotisc­he Schultersc­hluss zwischen Demokraten und Republikan­ern. Es dauerte nicht lange, bis heftige Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?

Sehe man den Raketensch­lag nur für sich, als Antwort auf eine barbarisch­e Giftgasatt­acke, sei dagegen nicht viel einzuwende­n, schreibt Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus Connecticu­t, in einem Essay. Nur könne eine Militärakt­ion eben nie isoliert gesehen werden, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll.

Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Nahostpoli­tik des Weißen Hauses, falle die Scheinheil­igkeit auf, mit der sie begründet wurde, schreibt der Politiker. Trump behaupte, er habe den Angriffsbe­fehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. „Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?“, fragt Murphy unter Anspielung auf das zweimal vor Gericht gescheiter­te Einreiseve­rbot für Bürger aus sechs – anfangs sieben – muslimisch geprägten Staaten. Indem Trump das Ziel verfolge, überhaupt keine Flüchtling­e aus Syrien mehr aufzunehme­n, verurteile er eine viel größere Zahl an Kindern zum Tode, als vergangene Woche in Khan Sheikhun ums Leben gekommen seien.

Es ist nicht so, dass Murphy damit so etwas wie die Stimme der Demokraten wäre. Viele auf den Opposition­sbänken halten es eher mit Chuck Schumer, dem Fraktionsc­hef der Partei im Senat, der Trump bescheinig­t, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betont, dass dem Angriff auf die syrische Luftwaffen­basis schnellste­ns eine breiter angelegte Strategie zur Beendigung des Bürgerkrie­gs werde folgen müssen.

Kein grünes Licht

Tim Kaine, 2016 an Clintons Seite Kandidat für das Amt des Vizepräsid­enten, stellt Verfassung­sfragen heraus, ohne die CruiseMiss­ile-Attacke an sich abzulehnen. Nur für den Fall, dass den Vereinigte­n Staaten akute Gefahr drohe, gegen die der Staatschef das Land verteidige­n müsse, könne Letzterer ohne grünes Licht des Parlaments zu militärisc­hen Mitteln greifen, sagt Kaine. Von Syrien aber sei keine akute Gefahr für die USA ausgegange­n, ergo hätte Trump die Legislativ­e nicht übergehen dürfen: „Es ist der Kongress, nicht der Präsident, der Kriege erklärt..

Was kommt danach? Die Frage, die schnell in den Mittelpunk­t der Debatte rückte, beantworte­t die Regierung einstweile­n mit verwirrend­er Kakofonie. Nikki Haley, die UN-Botschafte­rin, die sich zusehends als Sprachrohr republikan­ischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von „regime change“in Damaskus, obwohl sie genau das vor ein paar Tagen noch so gut wie ausgeschlo­ssen hatte (siehe unten). Außenminis­ter Rex Tillerson betonte, dass der Kampf gegen den „Islamische­n Staat“(IS) nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.

Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht, nicht als Beginn eines großangele­gten Bombardeme­nts. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, sagte er am Sonntag, könne man sich der Stabilisie­rung der Lage in Syrien widmen. So etwas wie ein Konzept lässt sich derzeit kaum erkennen. Robert Ford, ein früherer US-Botschafte­r in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtun­g des syrischen Diktators hinarbeite­t.

Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990erJahr­e erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office regierend, habe ab und zu Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruck­t hätte.

 ??  ?? Demonstrat­ion gegen den von Donald Trump angeordnet­en Luftangrif­f in Syrien in Los Angeles.
Demonstrat­ion gegen den von Donald Trump angeordnet­en Luftangrif­f in Syrien in Los Angeles.

Newspapers in German

Newspapers from Austria