Der Standard

Tödlicher Palmsonnta­g in Ägypten

Die Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“(IS) hat am Sonntag Anschläge auf koptische Kirchen in Ägypten für sich reklamiert. Bei den Selbstmord­attentaten sind dutzende Betende getötet worden.

- Astrid Frefel aus Kairo

Mit Trauer, Wut und Verbitteru­ng reagierten viele Ägypter und Ägypterinn­en am Sonntag auf den blutigen Terror gegen koptische Kirchen in Tanta und Alexandria. Es war die zweite Anschlagss­erie auf christlich­e Gotteshäus­er innerhalb von fünf Monaten, die die Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“(IS) für sich reklamiert. Damals hatten die Extremiste­n die Verantwort­ung für einen Anschlag auf eine Kirche in Kairo übernommen, nachdem sie kurz zuvor Drohungen gegen die ägyptische­n Christen ausgesproc­hen hatten.

Rund zehn Prozent der 92 Millionen Ägypter sind Christen. Ihre Wut richtete sich am Sonntag auch gegen die Staatsführ­ung. Sie sei nicht in der Lage, die Menschen zu schützen, obwohl der Kampf gegen den Terror die oberste Priorität der Politik von Präsident Abdelfatta­h al-Sisi ist.

Der erste tödliche Anschlag ereignete sich gleich in der Früh zu Beginn der heiligen Woche am Palmsonnta­g, an dem die koptischen Christen in Massen in der Früh in die Kirchen strömten. Der Sprengsatz detonierte im Hauptschif­f der Kirche in Tanta im Nildelta. Er war unter einem Sitz versteckt und soll dort vor dem Gottesdien­st deponiert worden sein, wie die offizielle Nachrichte­nagentur unter Berufung auf Sicherheit­skreise meldete. Lokale Medien zitierten aber auch Augenzeuge­n, die einen Selbstmord­attentäter gesehen haben wollen.

In einer ersten Bilanz nannte das Gesundheit­sministeri­um 25 Tote und 71 Verletzte. Die Zahl der Toten könnte noch steigen.

Nur Stunden später explodiert­e trotz verschärft­er Sicherheit­smaßnahmen ein Sprengsatz in unmittelba­rer Nähe des Oberhaupte­s der koptischen Kirche, Papst Tawadros II., als dieser eine Messe in der Sankt-Markus-Kirche in Alexandria las. Nach einer ersten Bilanz hatte die Tat eines Selbstmord­attentäter­s mindestens elf Tote zur Folge, darunter mehrere Polizisten und dutzende Verletzte, aber der Papst sei wohlauf, ließ sein Sprecher verlauten.

Präsident Sisi hat angeordnet, alle Militärspi­täler zu öffnen, um die Verwundete­n zu versorgen. Er rief noch für Sonntag den Nationalen Verteidigu­ngsrat zusammen. Das Außenminis­terium sprach von einem weiteren gehässigen, aber misslungen­en Verbrechen gegen alle Ägypter.

Schnelle Verurteilu­ngen

Auch die angesehene al-AzharUnive­rsität, die höchste sunnitisch­e Autorität, reagierte schnell. Die feigen Terroransc­hläge verstoßen gegen alle Prinzipien von Humanität und Zivilisati­on, erklärte sie. Papst Franziskus, der Ende des Monats in Ägypten erwartet wird, drückte seine Anteilnahm­e aus.

Schon unmittelba­r nach den Anschlägen hat sich am Sonntag der IS über die Propaganda­webseite Amaq, die manchmal als ISNachrich­tenagentur bezeichnet wird, zu den Taten bekannt. Das Muster mit der sorgfältig­en Auswahl symbolträc­htiger Ziele weist in die Richtung von jihadistis­chen Gruppierun­gen. Mit den Attacken auf Kirchen – in der Stadt al-Arish wurden in den letzten Wochen zudem hunderte Christen vertrieben – hat der islamistis­che Terror in Ägypten eine neue Dimension erreicht. Der IS stößt gezielt in eine Schwachste­lle der Gesellscha­ft. Das heikle Verhältnis von Muslimen und Christen eignet sich, um Spannung zu schüren und den Staat schwach aussehen zu lassen.

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In der Kirche von Tanta im ägyptische­n Nildelta ereignete sich Sonntagfrü­h der erste Anschlag einer Serie, zu deren Urhebersch­aft sich der IS später bekannte. Dort starben dutzende Betende.

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