Angebote muss man annehmen
Rund, aber flach: Henrik Ibsens „Volksfeind“in Linz
Linz – Der Volksfeind in Henrik Ibsens Stück ist kein Böser, sondern einer, der es gut meint: Doktor Stockmann ist mit Frau und Tochter zurück in das Dorf seiner Kindheit gesiedelt, um ein neu entstehendes Kurbad zu führen. Als er aber entdeckt, dass das Wasser vom umliegenden Industriegebiet verseucht ist, ist das für ihn ein klarer Fall. Doch die Entscheidungsträger der Gemeinde sehen das anders. Jede öffentliche Warnung würde das Image des Projekts ruinieren, jede Sanierung aber die Gemeindekassen.
Das reichte schon 1881 zum Erfolg und taugt auch heute noch, weil der innere Mechanismus des Stücks aus Integrität, Einzelinteressen, systemischen Abhängigkeiten und Gemeinschaftswohl über den konkreten Fall hinaus exemplarisch trefflich gebaut ist.
Trefflich gebaut hat auch Florian Barth die Bühne. Ihr Kasten gurgelt seinen Inhalt bis vor die Füße der ersten Sitzreihe. Von nebenan lässt das Bad mit Baulärm von sich hören. Dann und wann rieselt weißer Mörtel von der Decke. Als Gruß oder schlechtes Vorzeichen.
Wenn die Szene sich dreht, sitzt der Zeitungsmann Hovstad an aufgebockten Pressspanplatten in seiner Redaktion. Oder ist man bei Stockmanns Schwiegervater und Mitverschmutzer des Wassers zu Hause. Die Bühne aus Sesseln, Müllsäcken, Kabeltrommeln und Packen von Dämmmaterial ist genauso konkret wie ohne tiefere Bedeutung. Ein herrlicher Spielplatz, ein Angebot, das man annehmen muss. Das Regisseur Christoph Diem aber relativ unbeeindruckt links liegen lässt. Hämmern, pinseln – es gäbe so vieles, das sich hier machen ließe!
Hier beginnt die Schwäche des Abends: dass seine Personenführung so schlicht und konservativ ist mit der Tendenz zum lauten Organ. Nicht nur, wenn die Interessenvertreter sich Schreiduelle quer durch den zur Volksversammlung umfunktionierten Zuschauerraum liefern. Auch hat Diem den Text sachte aktualisiert. Das glückt, damit einher geht aber eine für die Aussagekraft nicht tragische, aber zuweilen ärgerliche Verflachung mancher Figuren. Nicht einmal zu Ibsens Zeit hat Arzttöchterchen Petra so naiv „Vati“gesagt wie hier und heute in Linz! So weit ein Textvergleich.
Betörend schön ist dafür eine Nebelwand, über deren bis ins Publikum spürbaren kalten Hauch projizierte Badeszenen ziehen. Auch sie zeigt, dass wohl mehr Mut und Potenzial dagewesen wären, als letztlich auf die Bühne gefunden haben. Bis 2. 6.