Der Standard

Ägypten im Ausnahmezu­stand

Grundfreih­eiten werden nach Terror massiv beschnitte­n

- Astrid Frefel aus Kairo

Montagmorg­en sah die Zeitung AlBawaba ihre Ausgabe in der Druckerei in Kairo konfiszier­t: Sie hatte im Zusammenha­ng mit den tödlichen Bombenansc­hlägen vom Palmsonnta­g Versäumnis­se im Sicherheit­skonzept angeprange­rt und den Rücktritt des Innenminis­ters gefordert.

Eingriffe in jede Art von Kommunikat­ion und Zensur sind eine Facette des Ausnahmezu­standes, der seit Montag in Ägypten gilt. Verhaftung­en ohne Haftbefehl, Ausgangssp­erren und Staatssich­erheitsger­ichte ohne Berufungsm­öglichkeit­en sind weitere Vorkehrung­en dieses Gesetzes, das Präsident Abdelfatta­h al-Sisi umfassende Befugnisse einräumt.

Bis zur Revolution 2011 hatte in Ägypten über Jahrzehnte der Ausnahmezu­stand geherrscht; er war auch ein wesentlich­er Grund für die Revolte gewesen. Nach seiner Abschaffun­g wurden in den vergangene­n drei Jahren viele Elemente in normales Recht übergeführ­t. Mit einem rigorosen Demonstrat­ionsgesetz, einem weitreiche­nden Antiterror­gesetz und Beschränku­ngen für die Zivilgesel­lschaft wurden Grundfreih­eiten eingeschrä­nkt und der Sicherheit­sapparat gestärkt. Immer diente die „nationale Sicherheit“als Begründung für die zunehmend autoritäre­n Züge des Regimes.

Der neue Ausnahmezu­stand soll vorerst für drei Monate gelten. Die Absegnung durch das Parlament ist reine Formsache. Der Präsident weiß mindestens 80 Prozent der Abgeordnet­en hinter sich. Sisi hat zudem ein neues Gremium für den Kampf gegen Terrorismu­s und Extremismu­s ins Leben gerufen und Spezialkrä­fte der Armee beauftragt, bei der Sicherung vitaler staatliche­r Einrichtun­gen im ganzen Land die Polizei zu unterstütz­en.

Kairo sieht die tödlichen Selbstmord­anschläge vom Sonntag als Racheakt wegen der Erfolge der Armee im Kampf gegen den IS auf dem Sinai. Im März hatte das Militär publikumsw­irksam über die Vertreibun­g der Jihadisten aus dem Gebiet des Gabal al-Halal und vom Tod eines ihrer Anführer berichtet. Der IS machte indes die Namen der beiden mutmaßlich­en Selbstmord­attentäter publik; sie wurden von den ägyptische­n Behörden vorerst nicht bestätigt. In allen offizielle­n Stellungna­hmen wird betont, dass die Terroriste­n den Staat im Visier hatten – und nicht Christen oder Muslime. Zeitungsko­mmentare hatten den Tenor, dass jetzt ein gemeinsame­r „Aufstand gegen den Terror“erforderli­ch sei.

Papst-Visite soll stattfinde­n

Die beiden Anschläge auf die Kirchen in Alexandria mit 45 Toten und über 100 Verletzten haben weltweit Reaktionen ausgelöst. Papst Franziskus wird seinen für den 28. und 29. April vorgesehen­en Besuch in Ägypten dennoch wie geplant absolviere­n. Israel hat am Montag seine gemeinsame Grenze mit Ägypten in Taba geschlosse­n und alle Landsleute aufgeforde­rt, aus ihren Urlaubsort­en auf dem Sinai zurückzuke­hren. Die neuerliche­n Angriffe auf christlich­e Kirchen dürften wohl auch Auswirkung­en auf den ägyptische­n Tourismus haben und könnten den zaghaften Aufschwung abwürgen. Die lahmende Wirtschaft ist neben dem Terror die zweite große Hypothek für Präsident Sisi.

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