Jean-Luc Mélenchon schließt zum Spitzentrio auf
Im Schlussspurt des französischen Präsidentschaftswahlkampfs legt der Linkspopulist in Umfragen zu
Mit dem formellen Kampagnenstart ändert sich der Wahlkampf in Frankreich vor allem im Fernsehen. Ab sofort haben alle elf Kandidaten Anspruch auf die gleiche Sendezeit. Die TV-Kanäle ziehen sich aus der Affäre, indem sie lange Reportagen über die Außenseiter zu nächtlicher Stunde ausstrahlen – die Hauptsendezeit nach 20.00 Uhr bleibt so den Spitzenreitern gewidmet. Oder fast: Auch während der „prime time“, wie sich der Pariser Medienjargon ausdrückt, haben die chancenlosen Kandidaten Anspruch darauf, ihre anderthalbminütigen Werbe- spots in gleichem Umfang wie die Schwergewichte zu platzieren.
Diese Spielregeln aus einem vergangenen Jahrhundert steigern nur noch die allgemeine Verunsicherung, ja Verwirrung dieses chaotischen Wahlkampfes. Denn auf dieser Spielwiese kommt es zu dem doch eher kuriosen Umstand, dass unbekannte Kandidaten, die etwa den Mond industrialisieren wollen (wie Jacques Cheminade) oder sich als Hirten ausgeben (wie Jean Lassalle), gleichbehandelt werden müssen wie die seriösen Präsidialfavoriten, von denen einer oder eine das Land fünf Jahre lang leiten wird. Aber „égalité“muss in Frankreich sein.
Mit dem sehr französischen Konzept der – sozialen wie politischen – Gleichheit punktet derzeit auch Jean-Luc Mélenchon. Der Kandidat der Linkspartei sorgt zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang für die jüngste und vielleicht letzte Umwälzung der gesamten Kampagne: Laut den neusten Umfragen kommt er auf rund 18 Prozent und zieht mit dem Konservativen François Fillon gleich. Da die beiden Frontrunner Marine Le Pen und Emmanuel Macron ihrerseits auf rund 22 Prozent gesunken sind, bildet sich ein Spitzenquartett, in dem alle Wahlchancen haben. Erstmals erfragen die Umfrageinstitute auch die Op- Emmanuel Macron (unten li.) und Marine Le Pen liegen gleichauf. Jean-Luc Mélenchon (li.) schließt zu François Fillon (oben Mi.) auf. tion „Mélenchon in der Stichwahl“; gegen die Nationalistin Le Pen gewinnt er etwa mit 57 Prozent der Stimmen, gegen Macron verliert er ebenso deutlich.
Links-außen-Gewinner
Mélenchon hat auf jeden Fall bereits das Rennen links außen gegen den Linkssozialisten Benoît Hamon – der nur noch auf acht Prozent kommt – für sich entschieden. Etliche Politologen glauben zwar, dass der Kandidat der „Linken“und der Kommunisten sein Stimmpotenzial nun ausgeschöpft hat, während etwa Fillon noch auf „versteckte Wähler“hoffen könne. Doch das sind pure Annahmen. Auch in Bezug auf Macron herrscht große Unsicherheit; der Mittekandidat kommt derzeit auf die größte Zahl von Umfragestimmen, die sich ihre endgültige Entscheidung noch vorbehalten.
Le Pen soll ihren Plafond auch erreicht haben, meinen Experten. Andere argumentieren aber, sie werde nicht über-, sondern unterschätzt. Erfahrene Demoskopen wie Jerôme Fourquet vom Institut Ifop räumen ein, noch nie hätten sie sich in einer französischen Präsidentschaftswahl dermaßen im Nebel gefühlt wie jetzt. Auch Mélenchons Vorpreschen auf der Zielgeraden zeigt, wie instabil die Lage in diesem an Wendungen so reichen Wahlkampf bleibt.