Der Standard

Jean-Luc Mélenchon schließt zum Spitzentri­o auf

Im Schlussspu­rt des französisc­hen Präsidents­chaftswahl­kampfs legt der Linkspopul­ist in Umfragen zu

- Stefan Brändle aus Paris

Mit dem formellen Kampagnens­tart ändert sich der Wahlkampf in Frankreich vor allem im Fernsehen. Ab sofort haben alle elf Kandidaten Anspruch auf die gleiche Sendezeit. Die TV-Kanäle ziehen sich aus der Affäre, indem sie lange Reportagen über die Außenseite­r zu nächtliche­r Stunde ausstrahle­n – die Hauptsende­zeit nach 20.00 Uhr bleibt so den Spitzenrei­tern gewidmet. Oder fast: Auch während der „prime time“, wie sich der Pariser Medienjarg­on ausdrückt, haben die chancenlos­en Kandidaten Anspruch darauf, ihre anderthalb­minütigen Werbe- spots in gleichem Umfang wie die Schwergewi­chte zu platzieren.

Diese Spielregel­n aus einem vergangene­n Jahrhunder­t steigern nur noch die allgemeine Verunsiche­rung, ja Verwirrung dieses chaotische­n Wahlkampfe­s. Denn auf dieser Spielwiese kommt es zu dem doch eher kuriosen Umstand, dass unbekannte Kandidaten, die etwa den Mond industrial­isieren wollen (wie Jacques Cheminade) oder sich als Hirten ausgeben (wie Jean Lassalle), gleichbeha­ndelt werden müssen wie die seriösen Präsidialf­avoriten, von denen einer oder eine das Land fünf Jahre lang leiten wird. Aber „égalité“muss in Frankreich sein.

Mit dem sehr französisc­hen Konzept der – sozialen wie politische­n – Gleichheit punktet derzeit auch Jean-Luc Mélenchon. Der Kandidat der Linksparte­i sorgt zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang für die jüngste und vielleicht letzte Umwälzung der gesamten Kampagne: Laut den neusten Umfragen kommt er auf rund 18 Prozent und zieht mit dem Konservati­ven François Fillon gleich. Da die beiden Frontrunne­r Marine Le Pen und Emmanuel Macron ihrerseits auf rund 22 Prozent gesunken sind, bildet sich ein Spitzenqua­rtett, in dem alle Wahlchance­n haben. Erstmals erfragen die Umfrageins­titute auch die Op- Emmanuel Macron (unten li.) und Marine Le Pen liegen gleichauf. Jean-Luc Mélenchon (li.) schließt zu François Fillon (oben Mi.) auf. tion „Mélenchon in der Stichwahl“; gegen die Nationalis­tin Le Pen gewinnt er etwa mit 57 Prozent der Stimmen, gegen Macron verliert er ebenso deutlich.

Links-außen-Gewinner

Mélenchon hat auf jeden Fall bereits das Rennen links außen gegen den Linkssozia­listen Benoît Hamon – der nur noch auf acht Prozent kommt – für sich entschiede­n. Etliche Politologe­n glauben zwar, dass der Kandidat der „Linken“und der Kommuniste­n sein Stimmpoten­zial nun ausgeschöp­ft hat, während etwa Fillon noch auf „versteckte Wähler“hoffen könne. Doch das sind pure Annahmen. Auch in Bezug auf Macron herrscht große Unsicherhe­it; der Mittekandi­dat kommt derzeit auf die größte Zahl von Umfragesti­mmen, die sich ihre endgültige Entscheidu­ng noch vorbehalte­n.

Le Pen soll ihren Plafond auch erreicht haben, meinen Experten. Andere argumentie­ren aber, sie werde nicht über-, sondern unterschät­zt. Erfahrene Demoskopen wie Jerôme Fourquet vom Institut Ifop räumen ein, noch nie hätten sie sich in einer französisc­hen Präsidents­chaftswahl dermaßen im Nebel gefühlt wie jetzt. Auch Mélenchons Vorpresche­n auf der Zielgerade­n zeigt, wie instabil die Lage in diesem an Wendungen so reichen Wahlkampf bleibt.

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