Der Standard

IWF und Weltbank mit Plädoyer für Freihandel

Die Kritiker der Globalisie­rung unterschät­zen die Vorteile des Freihandel­s, heißt es in einem neuen Bericht von IWF, Weltbank und WTO. Vom ungehinder­ten Warenverke­hr profitiere­n vor allem Konsumente­n.

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Wien – Für die Anhänger des Freihandel­s waren die vergangene­n Monate nur schwer zu ertragen. In den USA ist mit Donald Trump jemand ins Weiße Haus eingezogen, der am liebsten mit Strafzölle­n dafür sorgen würde, dass chinesisch­e Stahlbetri­ebe und deutsche Autobauer ihre Produkte nicht mehr in den USA verkaufen können. In Europa sind es linke Globalisie­rungskriti­ker, die gegen weitere Liberalisi­erungen ins Feld ziehen und Handelsabk­ommen wie TTIP bekämpfen.

Der Freihandel ist zu einem Prügelknab­en in den politische­n Debatten zahlloser Länder geworden. Am Montag ist der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF), die Weltbank und die Welthandel­sorganisat­ion WTO in den Ring gestiegen, um dem bedrängten Kämpfer zu helfen. Die drei Institutio­nen haben einen Bericht („Making Trade an Engine of Growth for All“) vorgestell­t, indem sie zeigen wollen, dass mehr Handel zwischen den Nationen zu mehr Wohlstand für alle führen kann.

Zunächst zeigen die Ökonomen der drei Institutio­nen, wie der internatio­nale Handel stetig zugenommen hat. Seit den frühen 1990er-Jahren, also mit dem Ende der Sowjetunio­n, hat sich die Entwicklun­g weiter beschleuni­gt. Der durchschni­ttlich verhängte Importzoll auf Einfuhren aller Art in Industriel­ändern betrug im Jahr 1990 noch sechs Prozent. Heute sind es weniger als drei Prozent.

In Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern sind durchschni­ttliche Zölle von gut 40 auf unter zehn Prozent gefallen. Die Zahl der weltweiten Handelsabk­om- men ist von 50 auf 280 gestiegen. Mit den Abkommen wurden Zölle für viele Warengrupp­en ganz gestrichen, wobei die Verträge immer umfassende­r werden.

Die lange Periode der Handelslib­eralisieru­ng habe zu mehr Wohlstand geführt. Als Beleg führen die Ökonomen Studien an, wonach Unternehme­n in offenen Volkswirts­chaften vom Wettbewerb profitiere­n, indem sie produktive­r werden.

Zugleich war die Entwicklun­g für Konsumente­n vorteilhaf­t. Mehr Handel bedeutet, dass die Produktvie­lfalt ansteigt – in den USA ist die Zahl der importiert­en Güter seit den 1970ern um das Dreifache gestiegen. Die Weltmarktö­ffnung bedeutet, dass Firmen ihre Handys, Fernseher und Kühlschrän­ke für viel mehr Menschen produziere­n. Wenn sie ihre Produktion­sstückzahl erhöhen, können Unternehme­n ihre Waren billiger anbieten. Laut IWF, Weltbank und WTO profitiere­n davon vor allem ärmere Bevölkerun­gsschichte­n, weil sie im Schnitt mehr Geld für importiert­e Waren wie Lebensmitt­el ausgeben. Die zunehmende Einbindung in den Welthandel habe weiters zu massiven Wohlstands­gewinnen in Schwellenl­ändern geführt. Als Positivbei­spiele erwähnt werden etwa China und Vietnam.

Jobverlust­e in der Industrie

Im Gegenzug hat die Marktöffnu­ng in reicheren Ländern Industriez­weige unter Druck gesetzt. Zitiert werden die Studien von David Autor. Der Professor am Massachuse­tts Institute of Technology schätzt in einer Studie, dass seit den 1990er-Jahren in den USA 2,4 Millionen Jobs durch Billigkonk­urrenz aus China verlorenge­gangen sind. Ganze Landstrich­e im mittleren Westen der USA leiden unter der De-Industrial­isierung.

Um solchen Tendenzen entgegenzu­wirken, müssten die Staaten mehr tun. So brauche es mehr Investitio­nen in Umschulung von Arbeitern. Länder wie die USA sollten auch ihre Ausgaben zugunsten von Arbeitslos­en deutlich erhöhen. Das internatio­nale Handelssys­tem müsste zudem fairer gestaltet sein. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte anlässlich der Vorstellun­g des Berichtes, dass Deutschlan­d mehr tun müsse, um Ungleichge­wichte auszugleic­hen. Deutschlan­ds Leistungsb­ilanzübers­chuss (Saldo aus Warenund Dienstleis­tungshande­l) lag 2016 bei 261 Milliarden Euro. Deutschlan­d müsse deshalb mehr investiere­n, so Lagarde. (szi)

Kommentare Seiten 27 und 28

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