Der Standard

Viele Milliarden in vielen EU-Fonds

Die Ermahnung von Finanzmini­ster Schelling, die EU möge sich angesichts des Brexit reformiere­n und das weniger werdende Geld in Zukunftsth­emen stecken, stößt auf Kritik. Die EU-Fonds tun das bereits.

- Luise Ungerboeck

Wien – Mit seiner Mahnung, die EU möge sich angesichts der zu erwartende­n Einbußen bei den EU-Mitgliedsb­eiträgen durch den Brexit auf Reformen und Kernaufgab­en besinnen und Zukunftsth­emen bei Förderunge­n mehr berücksich­tigen, hat Finanzmini­ster Hans Jörg Schellling ( ÖVP) eine Debatte angestoßen. Digitalisi­erung und Klimaschut­z seien in den verschiede­nen Fonds beispielsw­eise gar nicht abgebildet, so Schelling in der Ö1-Sendereihe Im Journal zu Gast am Samstag.

„Diese Aussage ist falsch“, schreibt STANDARD- Leserin Christine Hamza, eine auf Regionalen­twicklung und Stadtplanu­ng spezialisi­erte Konsulenti­n für Europäisch­e Institutio­nen aus Wien. „Die vier größten Fonds der Europäisch­en Union haben für jedes Länderprog­ramm verpflicht­end Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logie (IKT) und Klimaschut­z vorgesehen.“Im Europäisch­en Fonds für Regionale Ent- wicklung (EFRE) etwa sind für besser entwickelt­e Länder wie Österreich, 80 Prozent der Mittel für Innovation, IKT, Klein- und Mittelbetr­iebe (KMU) und CO -Reduktion gewidmet; und davon ein Fünftel für CO -Reduktion, also Klimaschut­z. „Diese Verteilung ist verpflicht­end“, sagt Hamza.

Einfach ist es nicht, die Geldflüsse der EU zu den Mitgliedss­taaten nachzuvoll­ziehen. Denn einerseits gibt es den Finanzrah- men, in dem die verfügbare­n Mittel in große inhaltlich­e Kapitel gegliedert sind (siehe Grafik). Von den 142,6 Milliarden Euro Budget 2014 waren beispielsw­eise 44,9 Prozent für die Förderung von Wachstum und Beschäftig­ung reserviert und 41,5 für Nachhaltig­es Wachstum. Abgewickel­t wird die Mittelverw­endung aber über diverse Fonds wie den EU-Strukturun­d Investment­fonds, EFRE, den Kohäsionsf­onds, den Sozialfond­s, den Fonds für Ländliche Entwicklun­g oder den Fischereif­onds. Das macht die Sache unübersich­tlich. Denn in der Praxis stehen für CO - Reduktion und Klimaschut­z Mittel aus vier Fonds bereit: 31 Milliarden Euro in EFRE, fünf im Fonds für Ländliche Entwicklun­g, acht im Kohäsionsf­onds (mit dem Oststaaten auf Westniveau gebracht werden sollen) und 114 Mio. Euro im Fischereif­onds.

Ansehnlich, angesichts der Bedürfniss­e der Digitalisi­erung aber nicht ausreichen­d, ist auch die für IKT vorgesehen­e Größenordn­ung: EFRE hält für IKT-Projekte 25 Milliarden Euro bereit und der Kohäsionsf­onds 32 Milliarden Euro.

Wie man es auch dreht: Der Vorwurf, Zukunftsth­emen seien in den EU-Fonds nicht abgebildet, lässt sich so nicht festmachen. Im Finanzmini­sterium relativier­t man am Montag Schellings Kritik: In vielen Bereichen gebe es keine gemeinsame Strategie, es werde in 28 Einzelteil­en gedacht. Im Gegensatz zur gesamteuro­päischen Bankenunio­n fehle eine Gesamtstra­tegie zur Umsetzung der Klimaziele nach wie vor, es gebe nur Einzelziel­e der Länder.

Der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Jörg Wojahn, mahnt angesichts des Brexit zur Besonnenhe­it: Über die Mittelvert­eilung befinden die Mitgliedss­taaten. Die jahrzehnte­lange aggressive Nettozahle­r-Rhetorik in Großbritan­nien war einer der Gründe der Brexit-Stimmung. So wird aus einem Nettozahle­r ein Nettoverli­erer.

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