Der Standard

Zaubern mit einem schwarz-gelben Band

Nach dem Centre Pompidou ist Jean-Luc Moulène nun mit „The Secession Knot (5.1)“in der Secession

- Christa Benzer

Wien – Aus der Entfernung sieht es so aus, als würde man mit einem Gummiband gerade die Kräfte des Hauptraums ausloten. Es sind allerdings Holzlatten, die abwechseln­d neongelb und schwarz bemalt sind und so dem Raum ein unübersehb­ares „Achtung“einschreib­en.

Man assoziiert auch Absperrstr­ukturen, um jedoch herauszufi­nden, dass es Jean-Luc Moulène genau um das Gegenteil geht: Mit Bezug auf die zur Mathematik gehörenden Knotentheo­rie will er über die Logik eines räumlichen Innen und Außen hinausgehe­n. Die schwarz-gelbe Konstrukti­on ist ein Loop, der weder Anfang noch Ende hat: Er zieht sich über die Wände, Decken und den Boden und überschnei­det sich – daher der Titel The Secession Knot (5.1) – genau fünfmal.

Durch diese spezielle Art der „Verknotung“soll die dominante architekto­nische Wirkung des Hauptraums – zumindest theoretisc­h – gebrochen werden: Die fünf Überschnei­dungen öffnen fünf kleinere Räume, in denen Moulène eine Reihe von Objekten platziert. In dem medial breit gefächerte­n Oeuvre des 1955 geborenen Künstlers spielt der Knoten als Denkfigur schon länger eine wichtige Rolle. Er soll dabei helfen, sich jenseits binärer Denkweisen komplexen Sachverhal­ten anzunähern. Und die Kunst gehört für ihn da durchaus dazu.

Moulène, der lange als Werbefotog­raf und Produktdes­igner gearbeitet hat, ist in den 1990er-Jahren mit seinen politische­n Fotoarbeit­en bekannt geworden: etwa mit der Serie Strike Objects (1999–2000), die vom Kampf der französisc­hen Arbeiterbe­wegung erzählen. Oder auch mit den Products of Palestine (2002–2004), einer Serie von Produktfot­ografien, bei der es um die Abwesenhei­t palästinen­sischer Produkte am Markt ging.

In der Secession ist die politische Message der vereinzelt platzierte­n Objekte nicht ganz so klar ausgefalle­n. Allerdings führen die in einem Buch versammelt­en Zeitungsau­sschnitte auch dort nicht an Kriegsbild­ern oder globalen Protesten vorbei. Moulène hat die Bilder mit Kritzeleie­n versehen, Dinge hervorgeho­ben oder Unwichtige­s ausgelösch­t. Mit Bezug auf diese Bilder sind auch Objekte entstanden: La Main Morte (2017) etwa, ein in Epoxidharz gegossener, abgerissen­er menschlich­er Arm an einem Galgen.

Ganz so blutig wie die Beschreibu­ng ist die Skulptur freilich nicht. Dafür sorgt vor allem die grüne, an Keramikobj­ekte erinnernde glänzende Oberfläche, mit der auch die Arbeit La Faucheuse (dt. die Mähmaschin­e) überzogen ist, ein trashiger Plastikses­sel, an dem eine Sense angebracht ist.

Geht es hier um die rohe Gewalt des IS? Ist das ähnlich dem Houellebec­q’schen Humor, oder soll man dem Künstler glauben, der von einer Hommage an das Maß des menschlich­en Körpers spricht? Moulène überlässt die Interpreta­tion den Betrachter­n. Er ist am Ambiguen, Poetischen, auch Unmögliche­n interessie­rt. Wenn er von der erwünschte­n Wirkung seines Secessions-Knotens spricht, sind es weniger die räumlichen Logiken als die Zaubertric­ks à la Copperfiel­d, die man assoziiert: Auch Moulène will die Mauern und Wände, die Architektu­r zum Verschwind­en bringen.

Die schwer einordenba­ren, aber zum Teil eindrucksv­ollen Skulpturen hat der Künstler der Konzentrat­ion auf die „Zerlegung“des Hauptraums leider untergeord­net: Im Rahmen der nunmehr übermächti­gen neuen Struktur werden sie suboptimal präsentier­t. Bis 18. 6.

 ??  ?? Keine Absperrung, sondern ein Moebiusban­d durch den Hauptraum der Secession: Jean-Luc Moulènes „The Secession Knot (5.1)“.
Keine Absperrung, sondern ein Moebiusban­d durch den Hauptraum der Secession: Jean-Luc Moulènes „The Secession Knot (5.1)“.

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