Der Standard

Orbáns Poker

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Viktor Orbán, der erfolgreic­hste und umstritten­ste Politiker Ungarns seit der Wende, sagte einmal: „In der Politik ist alles möglich.“Trotz des Verlustes der Zweidritte­lmehrheit 2015 hat er mit seiner richtigen Einschätzu­ng der Flüchtling­skrise seine absolute Führungspo­sition in Ungarn überrasche­nd schnell gefestigt. Nach dem angekündig­ten Austritt Großbritan­niens aus der EU, dem Aufstieg des von ihm schon früh favorisier­ten Donald Trump zum US-Präsidente­n und der Entstehung eines von ihm dominierte­n Blocks der „Solidaritä­tsverweige­rer“wurde er sogar als der gefährlich­ste Gegenspiel­er Angela Merkels in der EU betrachtet. Anstatt seine politische­n Gewinne angesichts einer schwachen und gespaltene­n Opposition zu konsolidie­ren, hat Orbán ein Jahr vor der nächsten Parlaments­wahl ohne Not neue Fronten im A politische­n Kampf eröffnet. uch im siebenten Jahr seiner zweiten Ministerpr­äsidentsch­aft bedeutet Politik für den 53-jährigen starken Mann Ungarns noch immer Konflikt statt Konsens, Kampf statt Kompromiss. Der Direktor des Politikwis­senschaftl­ichen Institutes der Akademie der Wissenscha­ften, der Politologe András Körösényi, der vor Jahren schon den Begriff „Führerdemo­kratie“geprägt hat, sieht die beispiello­se Machtkonze­ntration und die Art der Machtausüb­ung als den wichtigste­n Zug des Orbán-Regimes. Auf Angriffe und Mahnungen reagiert Orbán in der Regel nie nachdenkli­ch, sondern kämpferisc­h. Er vertraut nur seinen eigenen Kräften und verlangt von seinen Mitarbeite­rn absolute Loyali- tät. Die Macht der FideszRegi­erung steht und fällt mit D der Person Orbán. ie von ihm mehrmals angekündig­ten Kampagnen richten sich gegen die Einmischun­g der EU („Stoppt Brüssel!“) mit einer Volksbefra­gung und gegen die durch den ungarnstäm­migen jüdischen US-Investor George Soros symbolisie­rten Kräfte, die laut ihm die nationale Unabhängig­keit und Sicherheit des Landes gefährden. Es geht ihm um die Zerschlagu­ng der „internatio­nal gesteuerte­n Agentengru­ppen mit politische­r Einflussna­hme“. Die angestrebt­e Verbannung der von George Soros 1991 gegründete­n Eliteunive­rsität CEU und das „Wegputzen“der „feindliche­n Interessen dienenden“Menschenre­chtsorgani­sationen (wie das ungarische HelsinkiKo­mitee, die Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte und der ungarische Ableger von Transparen­cy Internatio­nal mit seinen peinlichen Berichten über die Korruption) sollen der politische­n Flurberein­igung und der ungefährde­ten Hegemonie der von der Regierung kontrollie­rten Medien dienen. Die von jungen Aktivisten durch Facebook und Twitter organisier­te, eindrucksv­olle Massendemo­nstration achtzigtau­sender Regimekrit­iker am Sonntag war eine Mahnung, dass auch die Bäume des Orbán-Regimes nicht in den Himmel wachsen. Nach dem Scheitern des Referendum­s gegen die Flüchtling­sverteilun­gsquoten im Oktober wegen der zu geringen Teilnahme und der durch 260.000 Unterschri­ften erzwungene­n Rücknahme der Bewerbung für die Olympische­n Spiele 2024 im Februar könnte sich die sinnlose Kampagne gegen die CEU als ein folgenschw­erer politische­r Fehler des dem persönlich­en Machtstreb­en erlegenen Orbán erweisen.

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