Der Standard

„Herabgewür­digte“Religion

- Walter Müller

Der 9. April 2017. Man muss das Datum zweimal lesen, um den Vorfall in der Stadthaupt­pfarrkirch­e St. Egid in Klagenfurt im wahrsten Sinne „glauben zu können“. Ein Kärntner Künstler, Hans Gerhard Kalian, hatte ein Banner gestaltet, auf dem eine gekreuzigt­e Frau mit blutbeflec­ktem, weißem Kleid zu sehen ist. Dieses Transparen­t stellte er, ohne zu fragen, in der Kirche am 9. April, am Palmsonnta­g, aus – jenem Tag, an dem die Lesung der Leiden Christi gewidmet ist. „Immer steht Christus mit dem Leidensweg im Vordergrun­d, da wollte ich darauf hinweisen, dass die Frauen seit Jahrtausen­den dieses Leid mittragen“, rechtferti­gte der Grafiker seine Aktion.

Aber als sei es nicht 2017, sondern irgendwann in finsteren Zeiten, rissen die Kirchenobe­ren das Frauenplak­at herunter – „mit Hass“, wie Kalian sagt.

„Es ist halt so, dass nach wie vor eine Männerrieg­e in der Kirche herrscht. Die Frauen dürfen die Kirche putzen und die Blumen gießen“, provoziert­e der Künstler. In ihrer Reaktion hat die Kirche in Kärnten aber nichts unternomme­n, um diese „Provokatio­n“zu neutralisi­eren. Im Gegenteil, man eskalierte die Sache. Gegen Kalian wird jetzt wegen „Herabwürdi­gung religiöser Lehren“ermittelt.

Weil er auf die Leiden der Frauen aufmerksam machen wollte, würdigt der Künstler Kalian also die christlich­e Lehre herab? Eine fürchterli­che Osterbotsc­haft, die da aus der Kärntner Kirche verkündet wird.

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