Jemen steht vor der Katastrophe
NGO Care: Internationales Interesse an Konflikt gering
Sanaa/Wien – Der Jemen steht am Abgrund einer riesigen humanitären Katastrophe, „ähnlich wie in Syrien vor sechs Jahren“, warnt die Hilfsorganisation Care. Zwei Jahre nach Beginn des Krieges im Jemen zählt die NGO mehr als 10.000 getötete Menschen, 17 Millionen Menschen, die ohne humanitäre Hilfe nicht überleben können, sieben Millionen hungernde Menschen und mehr als drei Millionen Binnenflüchtlinge. Das Land, das schon vor dem Krieg zu den ärmsten Ländern der Welt gehörte, rückt dem Zerfall näher.
„Die Nahrungsmittelsituation ist schon lange ein chronisches Problem im Jemen“, sagt Marten Mylius, Care-Regionalkoordinator für den Nahen Osten und Nordafrika und derzeit im Jemen tätig. Doch während die Menschen vor dem Krieg zwar nur wenig Geld für Lebensmittel hatten, die Nahrungsmittel aber zumindest weitgehend zur Verfügung standen, sei dies nun kaum noch der Fall.
Der größte Hafen, Hodeida am Roten Meer, ist immer wieder Ziel von Angriffen – in einem Land, das bis zu 80 bis 90 Prozent von Importen abhängig ist. Zudem fallen Einkommensmöglichkeiten in den Städten zunehmend weg, da der öffentliche Sektor zusammengebrochen ist und Gehälter nicht mehr ausgezahlt werden.
Das Interesse an diesem Konflikt sei bei allem Elend gering, sagt Mylius. „Die Welt, die auch sehr lange nicht nach Syrien geschaut hat, schaut nun nicht auf den Jemen. Erst durch die sogenannte Flüchtlingskrise, als Syrer nach Europa kamen, wurde der Blick nach Syrien gelenkt.“
„Die Menschen haben keine Möglichkeit zu fliehen, es gibt also keine Bilder von ihnen. Zusätzlich ist der Zugang ins Land für Journalisten nur sehr beschränkt möglich.“Daraus resultiere mangelnde Aufmerksamkeit, niedriges Spendenaufkommen und dass kaum Druck auf die Kriegsparteien ausgeübt werde, so Mylius.
Im Jemen kämpfen schiitische Huthi-Rebellen gegen die Truppen der international anerkannten Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi. Seit März 2015 wird die Regierung von SaudiArabien und anderen sunnitischen Ländern mit Luftangriffen unterstützt. Den Konflikt machen sich auch Extremistengruppen wie Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap) und die Terrorgruppe „Islamischer Staat“zunutze, um ihre Macht auszuweiten.
Die Uno hat den Bedarf für Nothilfe im Jemen zuletzt auf 2,1 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro) beziffert, doch nur sieben Prozent davon sind derzeit durch Finanzierungszusagen der Geberländer gedeckt.