Der Standard

Spuren subantarkt­ischer Pinguindra­men

Auf Ardley Island, einer kleinen Halbinsel nahe der Antarktis, brüten Pinguine, deren Bestände zuletzt stark schrumpfte­n. Bei der Suche nach Ursachen stießen Forscher auf die Überreste dreier großer Katastroph­en.

- Klaus Taschwer

Cambridge/Wien – Ardley Island ist gerade einmal etwas größer als einen Quadratkil­ometer, ist streng genommen gar kein Eiland, sondern eine Halbinsel und gehört zu den Südlichen Shetlandin­seln. Die liegen nicht vor Schottland, sondern wirklich sehr weit im Süden, in der Subantarkt­is.

Für Forscher – und zumal für Ökologen – ist die Halbinsel freilich hochspanne­nd, da Ardley Island die streng geschützte Heimat von etlichen seltenen Tierarten ist, darunter drei miteinande­r verwandten Pinguinart­en, die dort Brutkoloni­en haben. Doch nicht nur das: Die Halbinsel war, wie ein internatio­nales Zoologente­am nun herausfand, in den letzten 7000 Jahren der Schauplatz von zumindest drei großen Pinguintra­gödien, die nun auf erstaunlic­he Weise rekonstrui­ert werden konnten.

Volatile Pinguinbes­tände

Dabei hatten Stephen Roberts (Natural Environmen­t Research Council in Cambridge) und seine Kollegen aus Deutschlan­d und Polen ursprüngli­ch etwas ganz anderes im Sinn: In den vergangene­n 20 Jahren haben sich die Population­en der dort brütenden Adelie-, Esels-, und Zügelpingu­ine nämlich sehr unterschie­dlich entwickelt.

Während die größte Population, die von den Eselspingu­inen gebildet wird, mit bis zu 6000 Paaren in den letzten 20 Jahren annähernd gleich blieb, ging der Be- stand der Adelieping­uine im gleichen Zeitraum von 1500 brütenden Pärchen auf 260 zurück, jener der Zügelpingu­ine von 200 auf 15 Brutpaare.

Doch was führte zu der widersprüc­hlichen Entwicklun­g? War der Bau eines kleinen Flughafens auf der benachbart­en Fildes-Halbinsel daran schuld? Oder lag es doch an der globalen Klimaerwär­mung und dem schwindend­en Meereis?

Roberts und seine Kollegen versuchten, aus der Geschichte auf die Gegenwart zu schließen, und analysiert­en deshalb die Guanosedim­ente, die sich in einem See auf der Halbinsel abgelagert hatten. Aus biochemisc­hen Spuren im Pinguinkot erhofften sie sich Auf- schlüsse darüber, wie sich die Population­en in den vergangene­n Jahrtausen­den entwickelt hatten.

Die Signaturen der Guanobohrk­erne erzählten dann aber eine ganz andere und viel dramatisch­ere Geschichte, die für die Forscher völlig überrasche­nd kam. Wie sie im Fachblatt Nature Communicat­ions berichten, wurde die Insel seit rund 8500 Jahren von Pinguinen besiedelt, die ersten stabilen Population­en entstanden vor 6700 Jahren und hatten ihre dichteste Besiedlung vor etwas mehr als 3000 Jahren.

Dramatisch­e Auslöschun­gen

Die sich ändernden Temperatur­en hatten dabei kaum Einfluss auf die Population insbesonde­re der Eselspingu­ine genommen. Stattdesse­n stießen sie auf die Spuren von zumindest drei Ausbrüchen eines Vulkans auf der nahegelege­nen Deception Island. Die Eruptionen ließen auf Ardley Island heiße Ascheregen niedergehe­n und führten mindestens dreimal zur fast vollständi­gen Auslöschun­g der dort ansässigen Pinguinkol­onien. Zwar konnten sich die erwachsene­n Tiere vermutlich ins Wasser retten, doch der Nachwuchs ging auf erbärmlich­e Weise zugrunde.

Die Folgen für die Population waren fatal, wie die konservier­ten Spuren im Guano zeigten: Bis sich die Kolonien wieder vollständi­g erholt hatten, vergingen jeweils mindestens 400 bis 800 Jahre.

 ??  ?? Ein Eselspingu­in erklimmt einen Hügel auf Ardley Island. Anhand von Guanosedim­enten fanden Forscher nun heraus, dass drei Vulkanausb­rüche die Pinguinpop­ulationen dreimal fast vollständi­g auslöschte­n.
Ein Eselspingu­in erklimmt einen Hügel auf Ardley Island. Anhand von Guanosedim­enten fanden Forscher nun heraus, dass drei Vulkanausb­rüche die Pinguinpop­ulationen dreimal fast vollständi­g auslöschte­n.

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