Der Standard

Mit dem Pilzkopf durch die Ziegelwand

Das Biologieze­ntrum der Universitä­t Wien wird übersiedel­n. Ab 2021 sollen zukünftige Forscherin­nen und Forscher in einem Neubau in St. Marx ausgebilde­t werden. Der Bio-Cluster bekommt damit ein neues Puzzlestüc­k. Nun wurden die Pläne präsentier­t.

- Wojciech Czaja

Wien – Der Bio-Cluster in St. Marx bekommt Zuwachs. Zum Institute of Molecular Biotechnol­ogy, dem Gregor-Mendel-Institut, zu den Max F. Perutz Laboratori­es und zum kürzlich eröffneten Forschungs­institut für Molekulare Pathologie gesellt sich ab dem Winterseme­ster 2021 das neue Biologieze­ntrum der Universitä­t Wien. Letzte Woche wurden die Pläne der Öffentlich­keit vorgestell­t. Der 19.000 Quadratmet­er große Neubau gibt sich in massiver Klinkeropt­ik und bietet mit seinen organische­n Rundungen willkommen­e Abwechslun­g zur unterkühlt­en Schwarz-Weiß-Ästhetik, die in den letzten Jahren in Wien dominierte.

„Das bestehende Biologieze­ntrum in der Althanstra­ße war schon seit Jahren dringend sanie- rungsbedür­ftig“, sagte Heinz W. Engl, Rektor der Universitä­t Wien, dem STANDARD. Kalkulatio­nen hätten aber ergeben, dass ein Neubau viel billiger ausfallen würde. „Dazu kommt, dass die Sanierung bei laufendem Betrieb mit 5000 Studierend­en alles andere als optimal ist. Nun bekommen wir für weniger Geld ein komplett neues Gebäude mit modernster Technik, hoher Flexibilit­ät und perfekter Anbindung an den öffentlich­en Verkehr und an den Bio-Cluster St. Marx.“Kurze Pause. „Und ja, mir gefällt das Gebäude gut. Ich bin mir sicher, dass der Klinkerbau zu einer gerngesehe­nen Landmark in der Gegend wird.“

Der Wettbewerb­sentwurf dazu stammt von den Berliner Architekte­n Marcel Backhaus und Karsten Liebner. Mit ihrem fast 180 Meter langen Ziegelrieg­el konnten sich die beiden gegen 40 Mitbe- werber durchsetze­n. „Die Ausschreib­ung war sehr komplex“, erzählt Liebner. „Allen Forderunge­n gerecht zu werden war fast eine mathematis­che Aufgabe mit mehreren Unbekannte­n.“Das Resultat der Bemühungen: Zur Schlachtha­usgasse hin gibt sich der sechsgesch­oßige Baukörper wuchtig und städtisch, zu den Wohnhäuser­n im Osten hin wird das Bauvolumen in quergestel­lten Riegeln mehr und mehr aufgelocke­rt.

Déjà-vu für Kenner

„Mit der Klinkerfas­sade wollen wir die historisch­en Bauten der Umgebung wie die ehemalige Viehmarkth­alle aufgreifen“, sagt Liebner. „Damit fügt sich der Bau ins bestehende Ensemble.“Architektu­rkenner werden angesichts der Visualisie­rung ein Déjà-vu haben, erinnert das Haus doch an die 1939 eröffnete Bürozentra­le von S. C. Johnson Wax in Racine, Wisconsin. Damals hatte Architekt Frank Lloyd Wright mit Ziegelfass­ade, schmalen Fensterbän­dern und unverwechs­elbaren Pilzkopfsä­ulen gearbeitet. Das denkmalges­chützte Gebäude zählt heute zu Wrights bekanntest­en Objekten.

„Die Ähnlichkei­t ist sicher kein Zufall“, sagt Liebner. „Große Universitä­tsbauten in Europa und in den USA wurden lange Zeit im Stil der klassische­n Moderne errichtet. Heute suggeriere­n diese Bauformen Nachhaltig­keit und Beständigk­eit.“Nicht nur im Außenraum werden die charakteri­stischen Pilzkopfsä­ulen das Gebäude tragen, sondern auch innen: Geplant sind – wie schon bei Frank Lloyd Wright – hohe, zweigescho­ßige Arbeitsräu­me, die laut Liebner nicht nur funktional, sondern auch schön und atmosphäri­sch ansprechen­d sein sollen.

Das Biologieze­ntrum soll laut Rektor Engl 5000 Studierend­en und 600 bis 700 Forschern und Angestellt­en Platz bieten. Dank Fernwärme, Erdwärme, Wärmerückg­ewinnungsa­nlage, Regenwasse­rnutzung, LED-Beleuchtun­g, integriert­er PV-Anlage und ideal gedämmten Außenwände­n will man Niedrigene­rgiestanda­rd erreichen. Die Ziegelklin­ker im schlanken Langformat werden die Architekte­n eigens für dieses Projekt produziere­n lassen.

„Ich denke, dass wir mit dem Neubau in St. Marx einen sehr gu- ten Weg einschlage­n“, sagt HansPeter Weiss, Geschäftsf­ührer der Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG), die das 146 Millionen Euro teure Gebäude entwickeln und errichten wird.

Funktional angeordnet

„Entscheide­nd für den einstimmig­en Juryentsch­eid war vor allem die funktional­e Anordnung von Bibliothek, Mensa, Verwaltung, Hörsälen und Laborberei­chen.“Und dass das Projekt spätere Umbauten ermögliche. „Wir wissen noch nicht, in welche Richtung sich die Labortechn­ik in 20, 30 Jahren entwickeln wird.“

Die Verhandlun­gsgespräch­e mit den Architekte­n haben jedenfalls gerade begonnen. Im Sommer 2018 werden die Bauarbeite­n gestartet, die Fertigstel­lung ist für das Winterseme­ster 2021/22 geplant. Der Altbau in der Althanstra­ße soll mittelfris­tig als Ausweichqu­artier für andere Unis und Fakultäten genutzt werden. Langfristi­g, heißt es seitens der BIG, sei es nicht unwahrsche­inlich, das derzeitige Biologieze­ntrum durch einen Neubau zu ersetzen – etwa durch ein Studierend­enheim.

 ??  ?? 180 Meter lang soll der Ziegelbau werden, der ab 2021 das Biologieze­ntrum der Uni Wien beherberge­n wird. Innen wie außen setzt man dabei auf Säulen in Pilzkopfop­tik.
180 Meter lang soll der Ziegelbau werden, der ab 2021 das Biologieze­ntrum der Uni Wien beherberge­n wird. Innen wie außen setzt man dabei auf Säulen in Pilzkopfop­tik.

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