Der Standard

Leere Worte, volle Blicke

Die Ausstellun­g „mood swings“thematisie­rt im Museumsqua­rtier Emotionen in Politik und Technologi­e

- Eva Walisch

Wien – Auf einer Länge von acht Metern sammeln sich papierene Demonstran­ten. Manche davon sind nackt, andere verschleie­rt, auf den kleinen Schildern steht „Free Ai Weiwei“und „Lady Gaga leads to hell“. Ihre Forderunge­n widersprec­hen oder stützen einander, sind auf Englisch, Arabisch und Italienisc­h. Tom Molloy erschuf für seine Installati­on Protest eine Massendemo­nstration im Kleinforma­t.

Der Künstler hat medial verbreitet­e Bilder von Demonstran­ten ausgeschni­tten und zu einem Protestzug zusammenge­fügt. „Molloy greift damit das emotionale Verhältnis zwischen einem Individuum und der Gesellscha­ft auf. Die Protestier­enden tragen alle ein emotionale­s Anliegen vor ihren Körpern her und wollen so öffentlich wahrgenomm­en werden“, erklärt Sabine Winkler, Kuratorin der Ausstellun­g mood swings.

Winkler stellt in ihrer Schau im Freiraum Q21 die Frage, wie Emotionen und Stimmungen in die Gesellscha­ft hineinwirk­en. Besonders fokussiert die Ausstellun­g dabei auf Politik, Wirtschaft, Medien und Technologi­e. „Es geht darum, zu betrachten, wie und warum Emotionen analysiert und instrument­alisiert werden“, erklärt sie. Antworten versucht Winkler in den wenigen, aber klug ausgewählt­en Werken zu finden, die ein breites Themenfeld abstecken. Wenig überrasche­nd ist, dass dabei auch der Populismus seinen Platz findet.

Aus einer Ecke, ein paar Schritte weiter von Molloys stummer Demonstrat­ion, hallt eine Män- nerstimme durch den Raum. An einem Rednerpult kann man per Knopfdruck politische Reden voller leerer Phrasen abspielen, in denen ein Politiker namens Norbert Nadler zum Beispiel fragt: „What makes a man a man?“

Freude in Prozent

Das Künstlerdu­o Harteg Nadler startete eine fiktive Wahlkampag­ne, mit einem der Künstler als Politiker Norbert Nadler. Nadler besuchte ein Schützenfe­st, eröffnete die Fußballsai­son und schüttelte bei Wahlverans­taltungen Hände. Sein Slogan lautet schlicht und einfach „Stimmt“, er ist ein ideologiel­oser Politiker, der sich den gefragten Ideologien und Stimmungen anpasst. So kann er zur Projektion­sfläche für jede Enttäuschu­ng, Angst oder Hoffnung für die Zukunft werden.

Neben der politische­n Emotionali­sierung zieht sich auch die Digitalisi­erung als roter Faden durch die Ausstellun­g. Fast 30 Nasen, gerümpft oder nicht, projiziert der Künstler Ruben van de Ven auf eine Leinwand. Daneben mindestens so viele Augenbraue­npaare und Lippen – geschürzt, angehoben und zusammenge­kniffen. Nüchtern bewertet die App Emotion Hero die Emotionen auf den Bildern in Prozentpun­kten. 4,5316 % Überraschu­ng und 85,6321 % Freude.

Dazu kann man fünf weitere Emotionen auswählen und vor der Handykamer­a einüben. So könne man „die richtige emotionale Antwort in jeder Situation“lernen, wird das Videospiel beworben. Der Künstler untersucht damit Emotionser­kennungspr­ogramme, wie sie von Konzernen bei Bewer- bungsgespr­ächen und Mitarbeite­rtrainings verwendet werden. „Van de Ven will zeigen, dass es eben nicht objektiv ist, wie Emotionen zugeordnet werden“, sagt Winkler. „Aber er weist auch darauf hin, wie Konzerne Daten speichern, sammeln und auswerten.“

So greift mood swings hochaktuel­le Themen auf und wagt vielleicht einen Blick in die Zukunft: Mit dem von Antoine Catala entwickelt­en Emobot kann man Emotionen realer Personen auf einen Roboter übertragen, um so nicht anwesende Personen emotional zu vertreten. Auf einer Leinwand wird so gerade die Mimik eines elfjährige­n Jungen auf den Emobot übertragen, gespenstis­ch spricht eine Kinderstim­me dazu. Was bleibt, ist ein unheimlich­er Nachgeschm­ack. Bis 28. 5. pwww. q21.at/frei-raum

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Die allgemeine Proteststi­mmung will Tom Molloy mit seinem oft widersprüc­hlichen Protestzug aus Papier zeigen („Protest“, 2011).

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