Der Standard

Bürgerkrie­g und Sklavenmär­kte

Libyen: Kämpfe erreichen die südliche Provinz Fezzan

- Astrid Frefel

Tripolis/Kairo – Nicht nur im Ölhalbmond, sondern neuerdings auch in der Wüste im Süden sind die rivalisier­enden libyschen Fraktionen zunehmend in militärisc­he Konfrontat­ionen verstrickt. Die Regierung von Fayaz Serraj hat diese Woche vor einem Bürgerkrie­g gewarnt, nachdem zuletzt die Kräfte von General Khalifa Haftar die Luftwaffen­basis von Tamanhint angriffen.

Der Militärstü­tzpunkt dreißig Kilometer bei Sabha steht unter der Kontrolle von Einheiten aus Misrata, die die internatio­nal anerkannte Regierung von Serraj unterstütz­en. Haftar, der starke Mann im Osten, hat in den letzten Monaten versucht, seinen Einfluss in den Süden auszudehne­n.

In dieser instabilen, unterentwi­ckelten Region entlang der 5000 Kilometer Grenze mit den südlichen Nachbarsta­aten kämpft seit dem Fall der Gaddafi-Diktatur ein ganzes Mosaik von Stämmen und ethnischen Gruppierun­gen um die Kontrolle über die lukrativen Schmuggelr­outen und Ölfelder. Im westlichen Teil sind es die Tuareg-Berber, weiter östlich die afrikanisc­hen Tebou, dazu der arabische Stamm der Awlad Suleiman. Letztere unterstütz­en mehrheitli­ch Serraj und liefern sich regelmäßig schwere bewaffnete Auseinande­rsetzungen mit den Tebou.

Anfang April hat die italienisc­he Regierung mit Dutzenden Stammesver­tretern aus dieser Region ein Abkommen geschlosse­n, um die Grenze zu sichern und den Schmuggel mit Menschen und Drogen zu unterbinde­n. Es sollten auch Jobs geschaffen werden, um die jungen Leute von kriminelle­n Aktivitäte­n fernzuhalt­en. Die Nationale Tebou-Versammlun­g hat das Abkommen aber postwenden­d als Einmischun­g in die internen Angelegenh­eiten abgelehnt. Damit dürfte das Papier Makulatur bleiben.

Das Leiden der Migranten

Wie sich in diesem staatliche­n Vakuum kriminelle Strukturen breitmache­n können, hat am Mittwoch die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) in einem weiteren erschütter­nden Bericht über die Situation auf diesem Treck von Afrika nach Europa festgehalt­en. Die IOM spricht von eigentlich­en Sklavenmär­kten, zum Beispiel in Garagen oder auf Parkplätze­n in Sabha, wo die Migranten festgehalt­en und finanziell oder sexuell ausgebeute­t werden, bevor sie weiterreis­en können oder sogar verkauft werden.

Die meist jungen Männer aus Ländern südlich der Sahara vor allem Gambia, Nigeria und Ghana werden für 200 bis 500 Dollar verkauft und im Durchschni­tt zwei bis drei Monate festgehalt­en. Die Käufer seien Libyer, die von Helfern etwa aus Ghana oder Nigeria unterstütz­t werden. Die Migranten werden dann als Taglöhner auf dem Bau oder in der Landwirtsc­haft eingesetzt, nicht immer gegen Bezahlung. Auf dem weiteren Weg nach Norden sind die Flüchtende­n dann bewaffnete­n Banden und Schmuggler­netzwerken ausgeliefe­rt.

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