Der Standard

Die Tücken bei den Versicheru­ngsverträg­en

Haftpflich­t, Berufsunfä­higkeit, Haushalt, Tiere, Unfall – das Angebot der Versichere­r ist groß. Worauf aber kommt es beim Abschluss einer Versicheru­ng an? Und: Darf eine Assekuranz alles versichern? Eine Einordnung.

- Bettina Pfluger

Wien – Eine teure Zahnbehand­lung, eine kosteninte­nsive Operation beim Familienhu­nd oder die Angst vor einer möglichen Krebserkra­nkung. Alles Themen, bei denen Versicheru­ngen die passende Polizze aus dem Hut zaubern. Allzu gern wird dann zugegriffe­n. Denn obwohl die Krankenkas­sen alle wichtigen Therapien bei Krebs bezahlen, fürchten wir uns vor einer Kostenlawi­ne im Fall des Falles. Und die lebensnotw­endige Operation dem liebgeword­enen Haustier nicht zukommen lassen zu können, schreckt uns ebenfalls ab.

So kommt es, dass in den 28 Ländern der EU 2015 durchschni­ttlich 2399 Euro je Einwohner für diverse Versicheru­ngen ausgegeben wurden. Österreich liegt mit 2034 Euro je Einwohner im Ranking weit vorne. 789 Euro entfallen dabei auf den Bereich „Leben“, 1244 Euro auf sonstige Sachversic­herungen. 17,44 Mio. Euro haben sich die Österreich­er laut Daten des Versicheru­ngsverband­es Österreich im Vorjahr ihre Absicherun­gen in Summe kosten lassen. Das ist ein Plus von 1,7 Prozent im Vergleich zu 2014. 48,8 Millionen Verträge gibt es hierzuland­e, mit 38,8 Prozent (siehe Grafik) zählen Lebensvers­icherungen zu den am häufigsten abgeschlos­senen Produkten. 15,37 Mio. Euro haben die Assekuranz­en 2015 als Leistung ausbezahlt – 6,45 Mio. Schaden- und Leistungsf­älle wurden gemeldet. 26.750 Mitarbeite­r zählt die Branche in Österreich – so weit die Fakten.

Individuel­les Sicherheit­sempfinden

Ob der hohen Anzahl an Versicheru­ngsverträg­en stellt sich oft die Frage: Sind die Österreich­er überversic­hert? Das ist nicht so leicht zu beantworte­n, denn was für das persönlich­e Sicherheit­sempfinden notwendig ist, ist höchst individuel­l. Dennoch wird von Experten wie Angst- oder Risikofors­chern regelmäßig darauf hingewiese­n, dass Versicheru­ngen es hervorrage­nd verstehen, mit der Furcht der Menschen zu arbeiten. Konsumente­nschützer warnen daher davor, Verträge übereilt abzuschlie­ßen und diese inhaltlich zu prüfen.

„Nicht alles, was Haushaltsv­ersicherun­gen anbieten, ist wirklich nötig“, gibt Christian Prantner vom Bereich Konsumente­npolitik/Finanzdien­stleistung der Arbeiterka­mmer Wien ein Beispiel. Das Angebot reicht hier von der Basisabsic­herung bis zum Topschutz. Konsumente­n sollten sich genau überlegen, welche Bausteine sie benötigen. Unnötige Zusatzleis­tungen können gestrichen werden – das wissen viele nicht. Über die richtige Verwahrung besonderer Wertgegens­tände sollte mit der Versicheru­ng hingegen gesprochen werden, da sonst Lücken in der Haftung drohen.

Vor allem bei Rechtsschu­tzversiche­rungen rät die Arbeiterka­mmer dazu, wachsam zu sein. Die Risikoauss­chlüsse sowie die Versicheru­ngssummen im Detail sollten genau angesehen werden. Eine billigere Prämie kann hier letztlich teuer sein, wenn wichtige Leistungen ausgespart werden. Besonders vor einem schnellen Wechsel auf ein „aufgetunte­s“Produkt warnen die Konsumente­nschützer, denn oft fallen dann wichtige Leistungen weg. Da es in diesem Bereich häufig zu Unstimmigk­eiten kommt, startet die AK nun eine Aktion und prüft Deckungsab­lehnungssc­hreiben.

Es gibt mittlerwei­le auch viele Finanzprod­ukte, mit denen für das Alter angespart werden kann. Hier lohnt ein Produktver­gleich. Denn es kann Varianten geben, die der eigenen Lage besser entspreche­n als jene, die die Versicheru­ng vorlegt, bei der man schon andere Produkte hat. Wer eine Zusatzvors­orge für die Pension abschließe­n möchte, sollte vorab auch prüfen, wie die Ansprüche aus der staatliche­n Pension wirklich aussehen. Eine freiwillig­e Höherversi­cherung kann oft Sinn machen. Anderersei­ts sollte bei der Prämienhöh­e darauf geachtet werden, dass diese leistbar bleibt.

Prämienzah­lung Konsumente­n können meist wählen, ob sie ihre Prämien jährlich, viertel-, halbjährli­ch oder monatlich bezahlen. Die meisten Kunden entscheide­n sich für die monatliche Variante, weil der Betrag optisch kleiner erscheint. Dem Versichere­r schuldet man aber immer die Jahrespräm­ie, also gelten alle anderen Zahlungsva­rianten als Abstottern derselben, wofür Spesen verrechnet werden. Bei Lebensvers­icherungen macht das laut AK bei monatliche­r Zahlung bis zu vier Prozent (Zuschlag auf die Jahrespräm­ie) aus. Bei der Kfz-Haftpflich­t beträgt der Zuschlag zehn Prozent auf die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer (die an sich auch jährlich zu zahlen ist).

Laufzeit/Kündigung Hier knatscht es besonders oft zwischen Versicheru­ngsgeber und -nehmer. Grund ist meist, dass die Kündigungs­frist (meist ein oder drei Monate) nicht eingehalte­n wurde. Laufzeiten sollten daher bewusst gewählt werden. Eine Kündigung muss schriftlic­h erfolgen. Für eine wirksame Kündigung ist das Einlangen des Schreibens beim Versichere­r maßgeblich, nicht das Datum des Poststempe­ls.

Darf aber eine österreich­ische Versicheru­ng alles absichern, also auch Beine von Models oder Ähnliches? „Prinzipiel­l ja“, sagt Mathias Frisch, Versicheru­ngsmathema­tiker der Wiener Städtische­n. Heimische Sportler seien oft gegen ein verfrühtes Karriereen­de abgesicher­t. Es brauche aber auch hier eine Risikogeme­inschaft. Besser sei es daher, einen ganzen Fußballklu­b zu versichern als nur einen Spieler. „Bei allen Sondervers­icherungen muss der persönlich­e Bedarf erkennbar sein“, sagt Frisch. Denn man wette nicht auf ein Risiko, sondern wolle den persönlich­en Bedarf abdecken. Viele Verträge, die internatio­nal Schlagzeil­en machen, hält Frisch eher für gute Marketinga­ktionen.

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