Wie eine Versicherung die Welt finanziell ins Wanken brachte
Versicherungen sollen Risiken durch breites Streuen senken. Nicht immer geht die Rechnung auf: Absicherungen gegen Kreditausfälle verstärkten die Finanzkrise – und brachten die weltgrößte Assekuranz 2008 zu Fall.
Wien – Der US-Starinvestor George Soros nannte sie 2009 „Instrumente der Zerstörung“, für Investorenlegende Warren Buffett waren sie gar „Massenvernichtungswaffen“. Die Rede ist von sogenannten Credit Default Swaps (CDS, siehe Wissen), die auch als Kreditausfallversicherungen bezeichnet werden. Das klingt nach einem Instrument, das Sicherheit gewährt – in der Praxis hat es sich im Zuge der Finanzkrise jedoch als ultimativer Brandbeschleuniger erwiesen.
Was war geschehen? Nach den Jahren des US-Immobilienbooms kam es zur sogenannten Subprime-Krise, da zu viele Hypotheken an mittelmäßige bis schlechte Schuldner vergeben wurden, was den Häusermarkt ins Wanken brachte. Im Hintergrund hatte sich eine noch gefährlichere Bedrohung zusammengebraut: Der Markt für CDS war rasant gewachsen und erreichte laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2007 ein Gesamtvolumen von 58,2 Billionen US-Dollar. Das überstieg sogar die damalige Wirtschaftsleistung der gesamten Welt mit 57,7 Billionen Dollar.
Tickende Zeitbombe
Es hat sich als keine allzu gute Idee erwiesen, gewissermaßen die ganze Welt gegen faule Kredite abzusichern, dann irgendwer musste diese Risiken auch tragen. Und das mitten in der Finanzkrise. Nachdem 2008 die US-Großbank Lehman Brothers in die Pleite geschlittert war, ging die Zeitbombe hoch. Der Schock trieb die schon zuvor gestiegenen Ausfallsrisiken schlagartig weiter in die Höhe – gut für die Inhaber dieser Derivate, umso schlechter für jene, die sie ausgegeben hatten. Federführend darunter war AIG, damals mit jährlichen Prämieneinnahmen von 80 Milliarden Dollar und 190 Milliarden Dollar Börsenwert der größte Versicherer der Welt.
Eine AIG-Truppe in London mit rund 400 Mitarbeitern hatte gewaltige Risiken aufgetürmt, indem sie darauf gewettet hatte, dass Kredite nicht ausfallen – ohne Sicherheitsnetze wie Rückversicherungen. Das brachte den Konzern mit weltweit 116.000 Mitarbeitern fast im Alleingang zu Fall. Da die US-Regierung damals kein zweites Lehman riskieren wollte, wurde AIG in drei Etappen notverstaatlicht und mit 182 Milliarden Dollar vor dem Kollaps bewahrt.
Zwei Jahre darauf gerieten CDS im Zuge der Griechenland-Krise neuerlich in Verruf. Hedgefonds sollen die Preise von Kreditausfallversicherungen auf griechische Schuldpapiere massiv nach oben getrieben haben. Für Anleihenkäufer ein Warnsignal, weshalb sie immer höhere Zinsen verlangten – eine Negativspirale. Wie zuvor AIG musste auch Griechenland mit mehreren Rettungspaketen vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahrt werden.
Im Gegensatz zu den Hellenen ist die abgespeckte AIG inzwischen wieder auf die Beine gekommen. Die staatlichen Notkredite wurden getilgt plus 22 Milliarden Dollar an Zinsen, der Börsenwert ist von unter einer Milliarde im Tief auf 60 Milliarden Dollar angestiegen. Entspannung auch am globalen CDS-Markt: Mitte 2016 war nur ein Volumen von 11,7 Billionen Dollar im Umlauf. (aha)