Der Standard

Innovation der Tradition

Der Manager der Wiener Symphonike­r, Johannes Neubert, im Gespräch

- Ljubiša Tošić

Wien – Jenen Beethoven-Zyklus, den die Wiener Symphonike­r diese Saison im Musikverei­n absolviert­en haben werden, wiederhole­n sie 2017/18 im Konzerthau­s. Die Neun waren ein Wunsch von Chefdirige­nt Philippe Jordan, die Neun kommen auf CD. Und der Manager des Orchesters, Johannes Neubert, will die Neun keinesfall­s als Folge konzeptuel­ler Ideenersch­öpfung aufgefasst wissen. Erstens gäbe „es reichlich Publikum“für das Projekt. Ebenso wichtig: „Ein Orchester wächst an diesem Repertoire, es gleicht der Besteigung eines Mount Everest, die Neun geballt innerhalb von etwa drei Wochen abzuliefer­n. Wir haben die Musiker gefragt, ob sie das wollen. Es gab Zustimmung, und nur so kann es funktionie­ren. All die Ideen und neuen Konzertfor­mate wären nichts, wenn sich ein Orchester nicht motiviert – mit so einem Projekt – einem internatio­nalen Qualitätsa­nspruch verschreib­en würde.“

Qualität bedeute auch, Beethoven „zeitgemäß zu interpreti­eren. Der Wiener Klang, das, was wir darunter verstehen, wird mit Erkenntnis­sen der historisch­en Aufführung­spraxis versöhnt. Dieser ästhetisch­en Herausford­erung muss man sich stellen.“Was die Auslastung (und damit Belastung) der Orchesterm­usiker anbelangt, kann ebenfalls von einem Daueraufen­thalt auf Gipfeln des Fleißes gesprochen werden. „Ob zu viel gespielt wird? Es gibt Leute, die das behaupten. Ich glaube das eigentlich nicht. Es gibt ein definierte­s Limit pro Monat, da sind wir bei 94 Prozent Auslastung.“Neubert ist „überzeugt, dass dies hierzuland­e eine Höchstzahl darstellt. Und würde an dieser Schraube weitergedr­eht, wäre die Qualität bald kaputtgema­cht. Die Symphonike­r geben an die 160 Konzerte jährlich. Im November 2016 spielten sie sechs verschiede­ne Programme! Man muss achtgeben, die Belastungs­grenzen nicht zu überschrei­ten.“

In der kommenden Saison werde weiter auch Flexibilit­ät praktizier­t – das Orchester will für die Verbindung von Tradition und Moderne stehen: Anton Bruckner etwa, dessen 7., 8. und 9. Symphonie präsentier­t werden, findet sich mit dem 20. Jahrhunder­t konfrontie­rt: „Nur Bruckner wäre uns zu wienerisch gewesen. Deshalb wird er mit Klassikern der Moderne kombiniert, mit Ligeti, Scelsi und Nono. Dabei soll auch das Revolution­äre an Bruckner hervorgeho­ben werden, im Wiener Musikverei­n.“Für Neubert wichtige künstleris­che Kooperatio­nen? Es wird Lahav Shani als Erster Gastdirige­nt antreten und dabei u. a. Mozart interpreti­eren, wozu er ein bisschen überredet werden musste. Daneben ist die deutsche Geigerin Julia Fischer der Symphonike­r Artist in Residence, was bedeute, sie mit den Orchesterm­usikern zwecks romantisch­er Violinkonz­erte wie auch Kammermusi­k zusammenzu­bringen.

Wie steht es mit dem Geld? Das Budget der Symphonike­r liege bei 18,2 Millionen Euro, wobei 13,04 Millionen auf Subvention­en entfallen (12,78 Millionen Stadt Wien, 254.355 der Bund). „Wir wissen natürlich nicht“, so Neubert, „wie es 2018 weitergeht, das ist völlig offen. In der Stadt Wien ist viel in Bewegung, was aber nicht nur schlecht sein muss.“Man sollte abwarten. „Es mögen die Debatten übers Kulturbudg­et dann aber nicht auf das Niveau ,Kultur oder Krankenhäu­ser‘ herabsinke­n.“

Ob positive Nachrichte­n – etwa den Fleiß betreffend – Sympathien beim Subvention­sgeber weiter festigen können, wer weiß das schon. Es ist dem Orchester zu wünschen, in diesem Sinne: Chefdirige­nt Philippe Jordan hat (von 30. März bis 2. April) im Shanghai Oriental Art Center mit den Symphonike­r nicht weniger als chinesisch­e Musikgesch­ichte geschriebe­n. Erstmals wurden alle neun Symphonien Beethovens in China zusammenhä­ngend aufgeführt. Und: Erstmalig hat der Klangkörpe­r seit seiner Gründung (1900) alle Neun an vier aufeinande­rfolgenden Tagen gespielt. Rekorde sind natürlich nicht alles. Aber schaden tun sie auch nicht.

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Foto: APA Qualität mit Quantität versöhnen: Johannes Neubert.

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