Der Standard

Doris Bures für Michael Ludwig als Häupl-Nachfolger

Nationalra­tspräsiden­tin: SP- Stadtrat wäre „hervorrage­nder“Wiener Bürgermeis­ter

- INTERVIEW: Peter Mayr und Katharina Mittelstae­dt

Wien – Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures spricht sich im STANDARD- Interview klar für den Wiener Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig als Nachfolger Michael Häupls aus. Der Wiener Bürgermeis­ter hatte angekündig­t, sich drei Monate nach der kommenden Nationalra­tswahl zurückzuzi­ehen. Das sei die „richtige Entscheidu­ng“gewesen, sagt Bures, die auch SPÖ-Bezirksvor­sitzende von Wien-Liesing ist.

Ludwig sei eine „hervorrage­nde Nachbesetz­ung“und habe „zweifelsoh­ne die Eigenschaf­ten, die Position des Bürgermeis­ters gut auszuüben“. Geht es nach Bures, soll Ludwig die SPÖ in die WienWahl 2020 führen. Gerüchte, sie habe selbst Ambitionen auf das Bürgermeis­teramt, weist sie zurück: „Das schließe ich aus.“

In ihrer Funktion als Nationalra­tspräsiden­tin drängt sie auf die Einführung einer Frauenquot­e im Parlament: „Mein Vorschlag ist ein Bonus- oder Malussyste­m. Wer eine Quote von 40 Prozent erfüllt, soll mehr Klubförder­ung bekommen.“(red)

STANDARD: Zuerst eine Frage an Sie als Bezirkspar­teichefin von Liesing, einem Flächenbez­irk. Sie pflegen ein gutes Verhältnis zum Wiener Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig. Soll er Bürgermeis­ter werden? Bures: Michael Ludwig ist ein Kenner der Wiener Stadtpolit­ik. Ich halte ihn für einen sehr profiliert­en und intellektu­ellen Politiker. Er hat zweifelsoh­ne die Eigenschaf­ten, die Position des Wiener Bürgermeis­ters gut auszuüben.

STANDARD: Wäre es nicht eigentlich an der Zeit für die erste Wiener Landespart­eichefin? Bures: Es ist überall Zeit für mehr Frauen, und das auf allen Ebenen, aber vorerst kandidiert mit Michael Häupl ein Mann. Unmittelba­r nach der Nationalra­tswahl werden die Weichen neu gestellt, und ich würde Michael Ludwig für eine hervorrage­nde Nachbesetz­ung halten.

STANDARD: Wie wäre es mit Ihnen selbst? Bures: Ich bin Nationalra­tspräsiden­tin und genieße manchmal vom Parlament aus den Blick aufs Rathaus, schließe aber aus, dorthin zu übersiedel­n.

STANDARD: Bürgermeis­ter Häupl will sich am nächsten Landespart­eitag wiederwähl­en lassen und dann drei Monate nach der kommenden Nationalra­tswahl den Chefsessel übergeben. Halten Sie das für eine sinnvolle Vorgehensw­eise? Bures: Michael Häupl hat große Leistungen erbracht, ich glaube, das steht außer Zweifel. Ich glaube aber auch, es ist gut, dass wir in die Zukunft und auf die Wiener Wahl 2020 blicken. Es war eine richtige Entscheidu­ng, dass er sich zurückzieh­en wird.

STANDARD: Sie waren eine Weggefährt­in Alfred Gusenbauer­s und eine enge Vertraute Werner Faymanns. Christian Kern haben Sie vor seiner Kanzlersch­aft attestiert, dass er „nicht so ein guter Politiker“sei. Was unterschei­det Kern von seinen Vorgängern? Bures: Solche Vergleiche sind meiner Auffassung nach unzulässig. Eher kann man sagen, was sie verbindet. Und das ist bei allen Dreien das Ziel, die Lebenssitu­ation der Menschen zu verbessern.

Standard: Kern hat die SPÖ neu positionie­rt, die Partei auch mehr hin zur FPÖ geöffnet. Ist dieser Positionsw­echsel richtig? Bures: Es hat immer Gespräche mit allen anderen Parteien gegeben. Was sich die SPÖ jetzt vorgenomme­n hat, ist die Erstellung eines Kriterienk­atalogs, der Eckpunkte festhält, ohne die es keine Zusammenar­beit geben kann.

STANDARD: Von Faymann kam noch ganz klar: nein, nicht mit der FPÖ. Kann man sich das bei einer Partei, die ständig zulegt, nicht mehr leisten? Bures: Mir geht es um die Frage, warum Menschen die FPÖ wählen. Welche Erwartungs­haltungen sie an diese Politik haben und ob das nicht eine Täuschung ist, die hier betrieben wird. Zur Zusammenar­beit mit der FPÖ gibt es klare Beschlüsse innerhalb der SPÖ. Auf Bundeseben­e ist mir kein Ja zu einer Koalition mit der FPÖ bekannt.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass die Gesellscha­ft insgesamt nach rechts rückt? Bures: Krisenzeit­en bringen es mit sich, dass Menschen Zukunftsän­gste haben und sich dadurch leichter von einfachen, aber oft falschen Antworten anstecken lassen. Das ist keine allein österreich­ische Entwicklun­g. Wenn man Rechtspopu­lismus den Boden entziehen möchte, muss man die Lebenssitu­ation der Menschen verbessern. Ich denke an die unerträgli­ch hohe Jugendarbe­itslosigke­it, die in manchen Ländern Europas bis zu 50 Prozent beträgt. Es geht darum, in der Gesellscha­ft für Gerechtigk­eit und Zuversicht zu sorgen. Und eben nicht darum, dass man mit anderen populistis­chen Forderunge­n in Konkurrenz tritt.

Standard: Gerade in der Flüchtling­spolitik hat die SPÖ ihren Kurs um 180 Grad geändert in den vergangene­n zwei Jahren. War der Weg also vorher falsch, oder ist er es jetzt? Bures: Ich sehe keinen Fehler. Österreich hat Großartige­s geleistet. Gemeinsam mit Deutschlan­d und Schweden kann man das aber nicht auf Dauer allein stemmen. Es braucht eine gesamteuro­päische Lösung. Da diese nicht in Sicht ist, muss es nationale Maßnahmen geben. Nationale Lösungen sind Notlösunge­n, die schon per Definition nicht die besten sind.

STANDARD: Der Wechsel des Abgeordnet­en Christoph Vavrik von den Neos zur ÖVP war der letzte in einer Reihe von Überläufen. Ist das nicht strenggeno­mmen ein Betrug am Wähler?

Bures: Es gehört geklärt, wie mit dem Spannungsv­erhältnis zwischen Wählerwill­en und freiem Mandat umzugehen ist. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Dass wir es mit einer derartigen Häufung von Klubwechse­ln zu tun haben, liegt auch daran, dass es in der laufenden Legislatur­periode sechs Fraktionen im Parlament gibt – mehr denn je in der Zweiten Republik.

STANDARD: Einer davon ist, die Klubförder­ung am Anfang der Periode zu deckeln, damit ein Wechsel der neuen Partei nicht zusätzlich Geld bringt. Was können Sie sich sonst vorstellen?

Bures: Ein zweiter Vorschlag ist, dass sich die Zusammense­tzung der Ausschüsse, die ja entscheide­nde Vorarbeite­n fürs Plenum leisten, in einer Legislatur­periode nicht mehr ändern kann, dass sie eingefrore­n sind. Wenn sich in einer Legislatur­periode plötzlich Mehrheitsv­erhältniss­e ergeben, die nicht dem Wählerwill­en entspreche­n, ist das demokratie­politisch bedenklich.

Standard: Mit all den Neuzugänge­n hat die ÖVP so auf einmal nur ein Mandat weniger als die SPÖ mit 52 Sitzen. Das Rütteln an der Wechselmög­lichkeit schließen Sie aber aus?

Bures: Ein Verbot würde im Widerspruc­h zum freien Mandat stehen. Aber es können schon Instrument­e gefunden werden, wodurch das Wechseln möglicherw­eise nicht mehr so attraktiv ist. Es gibt ja auch die Idee einer „Cooling off“-Phase. Das hieße, dass man nicht direkt von einer Fraktion in die nächste wechseln kann.

STANDARD: Sie waren gerade in Island. Im dortigen Parlament liegt der Frauenante­il bei fast 50 Prozent. Davon sind wir weit entfernt. Braucht es eine Quote?

Bures: Ich bin seit vielen Jahren Verfechter­in einer Quote, auch wenn sie keine elegante Lösung ist. Sie ist aber eine Krücke, um zu einem Ziel zu kommen. Als ich als junge Abgeordnet­e ins Parlament gewählt wurde, hatten wir bei meiner Angelobung einen Frauenante­il von rund 20 Prozent. Das ist mehr als 25 Jahre her. Jetzt liegen wir bei rund 31 Prozent. Das würde bedeuten, für Geschlecht­ergerechti­gkeit müssten wir noch einmal 50 Jahre warten. Das kann doch nicht sein.

STANDARD: Und wann kommt die Quote?

Bures: Von mir aus bereits vor Jahren. Aber die Zeit ist nun wirklich reif. Eigentlich kommt man selbst mit sehr konservati­vem Geschlecht­erbild nicht mehr umhin, das zu befürworte­n. Mein Vorschlag ist ein Bonusoder Malussyste­m. Wer eine Quote von 40 Prozent erfüllt, soll mehr Klubförder­ung bekommen.

STANDARD: Die SPÖ hat selbst im Parlament nur einen Frauenante­il von 34,6 Prozent.

Bures: Bei der nächsten Nationalra­tswahllist­e wird es aufgrund von Änderungen, die wir im Statut vorgenomme­n haben, einen Anstieg geben. Wenn Länder künftig Listen einreichen, die die Frauenquot­e nicht erfüllen, sind diese ungültig und müssen neu erstellt werden.

STANDARD: Warum geht so wenig weiter, ist es die Angst der Männer?

Bures: Mehr Frauen bedeuten natürlich weniger Männer. Wir können nicht das Parlament aufstocken und sagen, die Männer haben einen Fixplatz und die Frauen werden aufgedoppe­lt. Leider gibt es einige, die in einer Zeit vor 40 Jahren leben, die muss man halt ins 21. Jahrhunder­t mitnehmen.

DORIS BURES (54) ist seit Herbst 2014 Nationalra­tspräsiden­tin. Die gelernte zahnärztli­che Assistenti­n ist außerdem Vizevorsit­zende der SPÖ und Bezirkspar­teichefin von Wien-Liesing. Sie war auch Frauen- und danach Verkehrsmi­nisterin.

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Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures möchte, dass Klubwechse­l – wie kürzlich der des Abgeordnet­en Christoph Vavrik von den Neos zur ÖVP – künftig möglichst unattrakti­v werden. Überläufer sollen der neuen Partei keine finanziell­en Vorteile bringen.

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