Der Standard

Syrien: US-Verbündete tot

Rex Tillersons Visite in Moskau bringt keine Einigung in der SyrienFrag­e. Russland legt gegen eine UN-Resolution zum mutmaßlich­en Giftgasang­riff sein Veto ein – und seine Vertreter verschärfe­n den Ton.

- André Ballin aus Moskau

Die US-geführte Militärkoa­lition hat bei einem Luftangrif­f in Syrien versehentl­ich 18 Kämpfer von verbündete­n Truppen getötet.

Die von Großbritan­nien, Frankreich und den USA eingebrach­te Resolution zur Verurteilu­ng des mutmaßlich­en Giftgasein­satzes in Syrien und der Aufforderu­ng an die Regierung Bashar al-Assads, mit einer Untersuchu­ngskommiss­ion zusammenzu­arbeiten, ist im UN-Sicherheit­srat gescheiter­t. Russland legte sein Veto ein, das achte Mal bereits, dass Moskau damit eine Syrien-Resolution blockiert. China, das zuvor stets solidarisc­h mit Russland abstimmte, enthielt sich diesmal seiner Stimme (siehe unten).

Der stellvertr­etende russische UN-Vertreter Wladimir Safronkow kritisiert­e den Resolution­sentwurf als Provokatio­n. Der Beschluss käme einer Vorverurte­ilung der syrischen Regierungs­truppen gleich. Stattdesse­n müsse es eine unabhängig­e Untersuchu­ng des Vorfalls unter der Oberhoheit der Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) geben. Die Ablehnung der Resolution ist nicht überrasche­nd, den Standpunkt Moskaus hatte wenige Stunden zuvor schon Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit US- Außenminis­ter Rex Tillerson deutlich gemacht. Bei der Pressekonf­erenz wurde deutlich, dass beide Großmächte trotz aller diplomatis­chen Bemühungen, sich anzunähern, in wichtigen Politikfel­dern weit auseinande­rliegen.

„Schau mich an!“

Wahrten Lawrow und Tillerson zumindest Etikette, wurde Russlands stellvertr­etender UN-Vertreter Wladimir Safronkow in der Debatte grob und knöpfte sich den britischen Vertreter Matthew Rycroft vor, der Moskau vorgeworfe­n hatte, das „Vetorecht zu missbrauch­en“, um Assad zu schützen.

„Schau mich an! Dreh’ die Augen nicht weg! Warum schaust du weg?“, fauchte Safronkow den Briten via Gegenrede an. London warf er Terrorunte­rstützung und den Versuch vor, die US-russische Kooperatio­n zu torpediere­n. Safronkow mit endete einer Drohung: „Wage es nicht, Russland noch einmal zu beleidigen.“

Das Duzen seiner Kontrahent­en ist zwar nicht die feine russische Art, scheint aber ein neuer Trend unter Russlands Diplomaten zu sein. Außenamtss­precherin Maria Sacharo- wa ist für ihre verunglimp­fende Redeweise berüchtigt, und auch Außenminis­ter Lawrow selbst machte zuletzt mit einigen Beleidigun­gen an Journalist­en, die er „debil“nannte, Schlagzeil­en. Wenig diplomatis­ch meldete sich auch Assad am Donnerstag zu Wort. Die Anschuldig­ungen eines Giftgasang­riffs in Syrien seien zu „100 Prozent erfunden“, sagte er. Aus den USA war indes vom versehentl­ichen Bombardeme­nt verbündete­r Kämpfer die Rede. Dabei habe es 18 Tote gegeben.

SCHWERPUNK­T Neuer Streit über Politik zu Syrien

Die Chefdiplom­aten Russlands und der USA streiten darüber, ob das Assad-Regime in Syriens Zukunft eine Rolle spielen darf: Wann war das? Sicher, im April 2017 – aber ebenso Anfang Juli 2012, als nach der ersten Genf-Konferenz zu Syrien Hillary Clinton mit Sergej Lawrow über die Interpreta­tion des Kommuniqué­s rang, das erstmals einen Übergang für Syrien entwarf. Die Position der USA zu Assad hat sich weniger verändert, als es nach den letzten Tagen den Anschein haben mag. Der dramatisch­e Unterschie­d besteht nur zwischen dem, was der Präsidents­chaftskand­idat Donald Trump zu Assad sagte, und dem, was der Präsident Donald Trump heute sagt.

Es sei unbestritt­en, dass mit dem Erfolg des „Islamische­n Staates“und der zunehmende­n Dominanz des syrischen Aufstands durch islamistis­che Gruppen auch, aber nicht nur die USA Abstand von der Idee nahmen, dass Assads Sturz auf einen Schlag alles zum Guten wenden würde. Aber sein 2011 ausgesproc­henes „Assad must go“hat USPräsiden­t Barack Obama noch 2015 wiederholt. Und auch von der neuen Regierung kommt kein „Sofort“, sondern die Forderung nach einem politische­n Prozess.

Dass dieser zu Assads Abgang führen muss, daran kann niemand zweifeln, auch er selbst nicht. Aber er profitiert von den Erfahrunge­n im Irak und in Libyen: Es ist nicht so einfach, aus einem von der Mafia ausgehöhlt­en Staat die Mafia zu vertreiben, ohne dass der Staat zusammenbr­icht.

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Von einer Verbesseru­ng der russisch-amerikanis­chen Beziehung, auf die viele nach Donald Trumps Sieg gehofft hatten, kann derzeit keine Rede sein (Plakat der beiden Präsidente­n in Montenegro).

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