Syrien: US-Verbündete tot
Rex Tillersons Visite in Moskau bringt keine Einigung in der SyrienFrage. Russland legt gegen eine UN-Resolution zum mutmaßlichen Giftgasangriff sein Veto ein – und seine Vertreter verschärfen den Ton.
Die US-geführte Militärkoalition hat bei einem Luftangriff in Syrien versehentlich 18 Kämpfer von verbündeten Truppen getötet.
Die von Großbritannien, Frankreich und den USA eingebrachte Resolution zur Verurteilung des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes in Syrien und der Aufforderung an die Regierung Bashar al-Assads, mit einer Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten, ist im UN-Sicherheitsrat gescheitert. Russland legte sein Veto ein, das achte Mal bereits, dass Moskau damit eine Syrien-Resolution blockiert. China, das zuvor stets solidarisch mit Russland abstimmte, enthielt sich diesmal seiner Stimme (siehe unten).
Der stellvertretende russische UN-Vertreter Wladimir Safronkow kritisierte den Resolutionsentwurf als Provokation. Der Beschluss käme einer Vorverurteilung der syrischen Regierungstruppen gleich. Stattdessen müsse es eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls unter der Oberhoheit der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) geben. Die Ablehnung der Resolution ist nicht überraschend, den Standpunkt Moskaus hatte wenige Stunden zuvor schon Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit US- Außenminister Rex Tillerson deutlich gemacht. Bei der Pressekonferenz wurde deutlich, dass beide Großmächte trotz aller diplomatischen Bemühungen, sich anzunähern, in wichtigen Politikfeldern weit auseinanderliegen.
„Schau mich an!“
Wahrten Lawrow und Tillerson zumindest Etikette, wurde Russlands stellvertretender UN-Vertreter Wladimir Safronkow in der Debatte grob und knöpfte sich den britischen Vertreter Matthew Rycroft vor, der Moskau vorgeworfen hatte, das „Vetorecht zu missbrauchen“, um Assad zu schützen.
„Schau mich an! Dreh’ die Augen nicht weg! Warum schaust du weg?“, fauchte Safronkow den Briten via Gegenrede an. London warf er Terrorunterstützung und den Versuch vor, die US-russische Kooperation zu torpedieren. Safronkow mit endete einer Drohung: „Wage es nicht, Russland noch einmal zu beleidigen.“
Das Duzen seiner Kontrahenten ist zwar nicht die feine russische Art, scheint aber ein neuer Trend unter Russlands Diplomaten zu sein. Außenamtssprecherin Maria Sacharo- wa ist für ihre verunglimpfende Redeweise berüchtigt, und auch Außenminister Lawrow selbst machte zuletzt mit einigen Beleidigungen an Journalisten, die er „debil“nannte, Schlagzeilen. Wenig diplomatisch meldete sich auch Assad am Donnerstag zu Wort. Die Anschuldigungen eines Giftgasangriffs in Syrien seien zu „100 Prozent erfunden“, sagte er. Aus den USA war indes vom versehentlichen Bombardement verbündeter Kämpfer die Rede. Dabei habe es 18 Tote gegeben.
SCHWERPUNKT Neuer Streit über Politik zu Syrien
Die Chefdiplomaten Russlands und der USA streiten darüber, ob das Assad-Regime in Syriens Zukunft eine Rolle spielen darf: Wann war das? Sicher, im April 2017 – aber ebenso Anfang Juli 2012, als nach der ersten Genf-Konferenz zu Syrien Hillary Clinton mit Sergej Lawrow über die Interpretation des Kommuniqués rang, das erstmals einen Übergang für Syrien entwarf. Die Position der USA zu Assad hat sich weniger verändert, als es nach den letzten Tagen den Anschein haben mag. Der dramatische Unterschied besteht nur zwischen dem, was der Präsidentschaftskandidat Donald Trump zu Assad sagte, und dem, was der Präsident Donald Trump heute sagt.
Es sei unbestritten, dass mit dem Erfolg des „Islamischen Staates“und der zunehmenden Dominanz des syrischen Aufstands durch islamistische Gruppen auch, aber nicht nur die USA Abstand von der Idee nahmen, dass Assads Sturz auf einen Schlag alles zum Guten wenden würde. Aber sein 2011 ausgesprochenes „Assad must go“hat USPräsident Barack Obama noch 2015 wiederholt. Und auch von der neuen Regierung kommt kein „Sofort“, sondern die Forderung nach einem politischen Prozess.
Dass dieser zu Assads Abgang führen muss, daran kann niemand zweifeln, auch er selbst nicht. Aber er profitiert von den Erfahrungen im Irak und in Libyen: Es ist nicht so einfach, aus einem von der Mafia ausgehöhlten Staat die Mafia zu vertreiben, ohne dass der Staat zusammenbricht.