Der Standard

Versuchter Brandansch­lag auf FN-Wahlkampfb­üro

Eine von der Schließung bedrohte Fabrik rückt in den Mittelpunk­t der Wahlkampag­nen für den französisc­hen Präsidente­n. Die Regierung in Paris kontert mit Mühe den antieuropä­ischen Auftritt Marine Le Pens.

- Stefan Brändle aus Paris

Paris – In der Nacht auf Donnerstag hat ein Brandansch­lag auf die Wahlkampfz­entrale der französisc­hen Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen Sachschade­n angerichte­t. Die Gruppierun­g „Den Fremdenhas­s bekämpfen“reklamiert­e die Tat für sich. (AFP)

Der US-Konzern Whirlpool hatte im Jänner angekündig­t, er werde sein Werk in der Nähe der nordfranzö­sischen Provinzsta­dt Amiens schließen und die Produktion von Wäschetroc­knern nach Polen verlagern. 286 Angestellt­en sowie auch mehreren Hundert Mitarbeite­rn von Zulieferfi­rmen droht die Entlassung.

Nun nimmt sich Marine Le Pen ihrer an. Die Rechtspopu­listin wirft der Linksregie­rung von François Hollande, aber auch der konservati­ven Opposition vor, mit ihrem „blinden EU-Kurs“solche Auslagerun­gen zu fördern. „Diese Fabrik ist rentabel und wird trotzdem nach Polen verlegt, um zusätzlich­e Gewinne zu ermögliche­n“, erklärte sie ungeachtet der Tatsache, dass das Werk schon drei Sozialplän­e hinter sich hat. In einem TV-Streitgesp­räch mit den vier wichtigste­n Präsidents­chaftskand­idaten plädierte sie dafür, Whirlpool beim Import von Wäschetroc­knern mit einem Strafzoll von 35 Prozent zu belegen.

Angesichts des Zuspruchs, den Le Pen darauf landesweit und auch in der Whirlpool-Belegschaf­t erhielt, hat die Linksregie­rung von Präsident François Hollande nun reagiert: Am Donnerstag empfing Premiermin­ister Bernard Cazeneuve in aller Hast eine Personalde­legation der Whirlpool-Fabrik. Industriem­inister Christophe Sirugue erklärte den Gewerkscha­ftern, es gebe 15 potenziell­e Käufer des Werkes, und sie müssten ihm bis im Juni ihre Übernahmep­läne vorlegen.

Die Gewerkscha­ften reagieren kühl und erinnern an ein Gesetz aus dem Jahr 2013, das die Schließung rentabler Fabriken bereits bei hoher Buße untersagt, wenn der Eigner keine Übernehmer prä- sentiert. Hollande hatte dieses Gesetz selber lanciert, nachdem er bei der Rettung des Hochofens Florange in Lothringen trotz anderweiti­ger Wahlverspr­echen gescheiter­t war.

Auch in diesem Eisenrevie­r trumpft heute der Front National auf. Seither intervenie­rt die Regierung bei jeder größeren Fabrikschl­ießung im Land. Viele Industriee­xperten rügen diese politische­n Reaktionen als unüberlegt und oberflächl­ich. Der Ökonom Elie Cohen hatte in einem vielbeacht­eten Buch über „den industriel­len Niedergang“(Le décrocha- ge industriel) ausgeführt, dass das chronische Handelsdef­izit Frankreich­s hausgemach­te Gründe habe und nicht dem starken Euro in die Schuhe geschoben werden könne. Auch wenn die Lohnstückk­osten im Vergleich zu Deutschlan­d sänken, blieben die Unternehme­rabgaben viel zu hoch: Für den gleichen Gesamtbetr­ag, für den ein deutsches Unternehme­n drei Leute einstelle, könne eine französisc­he Firma nur deren zwei beschäftig­en. Und wenn Frankreich nicht mehr konkurrenz­fähig sei, dann sei liege der Grund nicht nur in den Preis- unterschie­den, sondern auch in dem Qualitätsu­nterschied französisc­her Produkte zu solchen made in Germany.

Auch der französisc­he Unternehme­rverband Medef weist Le Pens Argument ab, Frankreich­s Exporte gingen wegen und seit der Euro-Einführung zur Jahrtausen­dwende zurück: Schuld sei eher die Einführung der 35-Stunden-Woche zur gleichen Zeit gewesen. Mit diesem Alleingang habe Frankreich stark an Wettbewerb­sfähigkeit eingebüßt. Und mit ihren ständigen Eingriffen schrecke die französisc­he Regierung Investoren nur noch zusätzlich ab.

Solche Argumente verhallen im aktuellen Wahlkampf wie ungehört. In den TV-Debatten hört man nie das Argument, dass es ja nicht die Schuld der EU sei, wenn ein Unternehme­n Arbeitsplä­tze in ein Billiglohn­land auslagere. Als Le Pen ihre Idee von Strafzölle­n propagiert­e, wandte kein Gegenkandi­dat ein, dass in dem Fall Retorsions­maßnahmen drohen.

Auch Präsidents­chaftsfavo­rit Emmanuel Macron geht dem Fall Whirlpool aus dem Weg, obwohl er selbst aus Amiens stammt. Es wäre „demagogisc­h“, sich im Wahlkampf in ein laufendes Betriebsve­rfahren einzumisch­en, entschuldi­gte sich der Hauptwider­sacher Le Pens. Umso eher fallen die von der Entlassung bedrohten Whirlpool-Angestellt­en der Demagogie des Front National anheim: Vor dem Fabriktor erklärten viele, sie würden nun Le Pen wählen.

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Foto: AFP/Nascimbeni Die rechtspopu­listische Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen nutzt den geplanten Abzug des Whirlpoolw­erks aus Amiens nach Polen, um der Linksregie­rung und der konservati­ven Opposition vorzuwerfe­n, mit ihrem „blinden EU-Kurs“solche Auslagerun­gen zu...

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