Vicenza setzt auf freie Software
Die norditalienische Stadt stellt seit einem Jahr ihre PCs auf freie Software um. Sie bildet einen Gegenpol zu anderen politischen Verwaltungen in Europa, deren IT-Systeme auf Microsoft-Produkte angewiesen sind.
Vicenza/Wien – Über ein Jahrzehnt lang betrieb München mit LiMux ein vielbeachtetes Vorzeigeprojekt. Rund 24.000 Rechner wurden von Windows auf Linux umgestellt, die Bürosuite Microsoft Office mit der freien Alternative LibreOffice ersetzt. 2014 attestierte man der Umrüstung noch, ein „großer Erfolg“zu sein. Doch im vergangenen Februar entschied der Stadtrat, zurück zu Windows zu kehren. Bezüglich der Gründe dafür herrscht Unklarheit. Die neue Stadtregierung aus SPD und CSU attestierte Probleme bei der Benutzerfreundlichkeit und sprach von technischen Problemen. Verantwortliche des Projekts dementierten. Laut Tagesspiegel setzen zahlreiche städtische und staatliche Verwaltungen exklusiv auf Microsoft und begeben sich damit in mitunter teure Abhängigkeit. Die EUKommission sieht sich selbst gar in „effektiver Gefangenschaft“des Softwareherstellers.
Zorin OS statt Windows
290 Kilometer südlich der bayerischen Landeshauptstadt beschreitet man einen anderen Pfad. Etwa 700 Rechner sollen hier lang- fristig umgerüstet werden, und zwar von Windows auf die LinuxDistribution Zorin OS, die vor allem dank einer dem MicrosoftSystem stark nachempfundenen Oberfläche den Umstieg erleichtern soll. der STANDARD hat sich nach dem aktuellen Stand der Dinge erkundigt.
Seinen Ursprung fand das Projekt in der Initiative von Albano Battistella. Er installierte als freiwilliger Elternteil vor zwei Jahren Zorin auf 40 Rechnern in der örtlichen Mittelschule, um ihr die Anschaffung neuer Geräte zu ersparen. Die Rückmeldungen waren so positiv, dass sich schließlich auch die Stadtverwaltung zu einem Probelauf für das System entschloss. Der Startschuss fiel im April 2016.
Geleitet wird das Vorhaben von Filippo Zanetti, Stadtrat für Vereinfachung und Innovation. Er sieht den bisherigen Umstellungsprozess als „Erfolg“, wenngleich er langsamer vonstattengeht, als erhofft. Ein Problem sei, dass die von der Stadt abgestellten Techniker nur wenig Zeit hätten, um Installationen vorzunehmen.
Nach einem ersten, mehrwöchigen Testlauf wurden mittlerweile einige PCs in der öffentlichen Verwaltung mit Zorin OS ausgestattet, dazu auch alle Arbeitsplätze im Statistikamt. Das Linux-System läuft außerdem auf den öffentlichen Rechnern in der städtischen Bibliothek sowie dem städtischen Jugendbüro. Etwa zehn Stunden investierte man zu Beginn in das Training der Teilneh- mer, die bereits gute Informatikkenntnisse mitbrachten. Abseits einer allgemeinen Einführung sei keine spezielle Schulung notwendig gewesen. Seitdem zeigen sich immer wieder Nutzer positiv davon überrascht, dass unter Zorin vieles gleich funktioniert wie zuvor unter Windows. Lob gab es auch für die Schnelligkeit des Systems.
Bei der Umstellung erhält man beratende Unterstützung von den Entwicklern von Zorin OS. Die Zusammenarbeit ist allerdings rein informell und ohne Gegenleistung, erläutert dazu Artyom Zorin, der namensgebende Erfinder des Systems und Chef der Zorin Group, die ihr Geld unter anderem mit kommerziellem Support für Firmen verdient.
Allerdings wird nicht jeder PC in der Stadtverwaltung umgerüstet. Einige Rechner werden auch weiterhin mit Windows laufen. Grund dafür ist, dass manche unverzichtbare Programme nicht Linux-kompatibel sind. Dazu nutzen auch die Einwohner öfter Windows-Formate, die unter Zorin nicht geöffnet oder bearbeitet werden können.
Große Ersparnisse erwartet
Kostentechnisch bilanziert das Projekt bislang neutral. Pro PC erspart man sich rund 300 Euro an Lizenzkosten für Windows und Office, die man allerdings in die Einrichtung von Zorin, Optimierungen und Schulungen reinvestiert. Ist der Umstieg abgeschlossen, rechnet man allerdings mit „beachtlichen“Ersparnissen. Allein durch den geringeren Anspruch an die Hardware soll die Nutzungsdauer der PCs um 30 bis 40 Prozent verlängert werden können, was die langfristigen Anschaffungskosten erheblich senkt. Beziffern wollte man die erwarteten Spareffekte jedoch nicht.
Allerdings gehe es bei der Umstellung nicht hauptsächlich um Kostensenkung, betont Zanetti. Zorin soll auch in puncto Sicherheit Vorteile bringen und effizienteres Arbeiten durch bessere Performance ermöglichen.
Dazu stehe das Projekt auch im Zeichen der „politischen und ethischen Entscheidung“, so weit wie möglich auf Open-Source-Software zu setzen. Vicenza nutzt neben Zorin auch eine Reihe anderer freier Entwicklungen. Außerdem gibt es eine örtliche Linux-User-Group, die mit der Stadt zusammenarbeitet und regelmäßig Events zur Verbreitung von freier Software organisiert.