Der Standard

Wie ein tödlicher Pilz aus Asien die Eschenwäld­er bedroht

Ein in seinem Ursprungsg­ebiet in Ostasien harmloser Pilz wird in Europa zum Killer: Jetzt heißt es in unseren Wäldern: „Betreten verboten“und „Lebensgefa­hr“.

- Tanja Paar

Man sieht ihn nicht, und trotzdem ist er da: Der Hymenoscyp­hus pseudoalbi­dus ist ein Pilz, der in unseren Wäldern die Eschen killt. Und das in einem Ausmaß, das nun zu großräumig­en Sperrungen führt. „Betreten verboten“steht auf den Schildern, „forstliche Arbeiten“und „Lebensgefa­hr“. Diesen Hinweisen ist unbedingt Folge zu leisten, mahnt Bernhard Posch, Forstwirt und Forsteinri­chter von den österreich­ischen Bundesfors­ten. Auf der Sophienalp­e im Wienerwald zeigt er, was das „falsche weiße Stengelbec­herchen“so anrichtet.

Auf den ersten Blick ist nichts zu sehen. Es duftet nach Bärlauch, von Westen her weht ein leichter Wind, die Sonne scheint schon angenehm warm. Aber obwohl die Eschen derzeit noch keine Blätter haben, sieht der Experte die Verheerung: „Der Pilz bringt zuerst die Blätter in den Kronen zum Absterben, deswegen entwickelt der Baum Angsttrieb­e, die auch jetzt im Frühjahr als zerzauste Büschel deutlich erkennbar sind. Die gesunden Bäume haben schon dicke Knospen, die demnächst aufbrechen werden, die kranken nicht.“

Mörderisch­er Mikropilz

Bei erkrankten Bäumen falle auch die Rinde ab. Stammfäule und andere „Sekundärsc­hädlinge“geben den Bäumen dann den Rest. Die große Gefahr dabei: Die kranken Eschen können auch ohne Außeneinwi­rkung wie Sturm plötzlich umfallen.

Deswegen haben die Bezirkshau­ptmannscha­ften die Waldbesitz­er bereits offiziell aufgeforde­rt, ihre Wälder zu sichern. Allein, ein wirksames Mittel gibt es gegen den Mikropilz – sein weißer Fruchtkörp­er ist nur zwei bis sieben Millimeter klein – nicht. Also bleibt den Waldbesitz­ern, die im Schadensfa­ll haften, derzeit nur die Schlägerun­g der erkrankten Eschen.

„Es gibt bei uns ja ein freies Betretungs­recht des Waldes“, erklärt Posch. „Alle Forststraß­en, markierten Wanderwege oder auch Mountainbi­kestrecken werden regelmäßig begangen. Die Kontrolle und ihre Ergebnisse werden dokumentie­rt.“Alle Eschen, die eine Gefahr darstellen könnten, würden entfernt. „Das betrifft nicht nur die Wege selbst, sondern auch deren Nahbereich­e, also eineinhalb bis zwei Baumlängen links und rechts der Wege, je nach Hangneigun­g“, so Posch.

Eine wahre Herkulesar­beit für viele Waldbesitz­er. Denn macht die Esche auf Bundesfors­teflächen österreich­weit nur einen Anteil von rund drei Prozent aus, sind feuchte Standorte wie die Donauauen oder Schluchten­wälder entlang von Bächen besonders betroffen. Die Donauwälde­r in Korneuburg wurden deswegen be- reits im Dezember 2016 gesperrt, jetzt ist auch der Wienerwald betroffen. Denn das Eschenster­ben breitet sich von Osten nach Westen aus.

Neu ist das Phänomen nicht: Bereits im Jahr 2005 trat es erstmals in Österreich auf. Aber die Krankheit wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Aus den abgestorbe­nen Blättern der befallenen Bäume steigen die Sporen des tödlichen Pilzes in die Luft und werden weiter verbreitet. „Das Eschenster­ben schreitet sukzessive voran“, erklärt der Forstpatho­loge Thomas Kirisits von der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien, dessen Forschungs­gebiet Pflanzener­krankungen sind.

„Das heißt, die Bäume werden jedes Jahr neu infiziert. Sind anfangs nur jüngere oder schwächere Bäume gestorben, betrifft es jetzt auch große, alte Bäume.“Eingeschle­ppt sei der Pilz aus dem Nordosten Polens, wo er 1992 erstmals beobachtet wurde. Über Litauen und die skandinavi­schen Länder verbreitet­e er sich rasch in ganz Europa.

Dabei ist der Pilz in seinem Ursprungsg­ebiet in Ostasien harmlos. Er lebt an der Mandschuri­schen Esche, ohne Krankheits­erscheinun­gen zu verursache­n. „Unsere Eschen vertragen ihn nicht. Er ist quasi ein Parasit, für den der Wirt nicht bereit ist“, so Kirisits. Dass das Eschenster­ben von Jahr zu Jahr dramatisch­er werde, bestätigt auch Forstwirt Posch: „Jetzt ist’s oha“, fasst er es zusammen. Deswegen beteiligen sich die Bundesfors­te an dem Projekt „Esche in Not“, das das Bundesfors­chungszent­rum für Wald (BFW) gemeinsam mit der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien (Boku) gestartet hat. Dabei sollen resistente Eschen in ganz Österreich aufgespürt werden. Aus deren Saatgut angezogene Pflanzen werden in einem Feldversuc­h im BFWVersuch­sgarten Tulln natürliche­n Infektione­n ausgesetzt. Das Ziel: möglichst resistente Eschen zu züchten.

Es ist ein Wettlauf mit dem Krankheits­erreger. „Aus wissenscha­ftlicher Sicht ist es nicht wünschensw­ert, dass jetzt so viele Eschen gefällt werden. Es ist ein bisschen, wie das Kind mit dem Bade ausschütte­n“, sagt der Pflanzenpa­thologe Kirisits. Nachsatz: „Natürlich habe ich Verständni­s für alle Waldbesitz­er, die ja für die Sicherheit Sorge tragen müssen.“

Globalisie­rter Pflanzenha­ndel

Wie genau der Pilz eingeschle­ppt wurde, kann auch er nicht sagen: „Am wahrschein­lichsten sind lebende Pflanzen, aber es können auch Blattreste gewesen sein.“Schädlinge könnten auch allein durch das Verpackung­sholz eingeschle­ppt werden, das „per Definition“hitzebehan­delt sein müsste. Die Globalisie­rung bringe es zudem mit sich, dass es Produkte gäbe, die im Heimatland völlig harmlos sind, aber woanders gefährlich würden. Siehe weißes Stengelbec­herchen.

Welche Pflanzen dürfen überhaupt nach Österreich eingeführt werden? „Das ist im Pflanzensc­hutzgesetz und in diversen EURichtlin­ien geregelt“, erklärt er. „Es gibt auch eine Quarantäne­liste. Aber: Man kann nur etwas auf die Liste setzen, das man kennt.“Der wissenscha­ftliche Wettlauf mit der Zeit geht also weiter: „Baum fällt“heißt es derweil im Wienerwald. Bis zu sechs Monate werden einzelne Waldabschn­itte gesperrt bleiben.

„Bis zu einer Hangneigun­g von 40 Prozent können wir mit dem sogenannte­n Harvester, einer Holzerntem­aschine, arbeiten“, erklärt Posch. Ab dann müsse händisch mit der Motorsäge gefällt werden. Die sechsmonat­ige Frist beinhalte nicht nur die Zeit der Schlägerun­g, sondern auch des Abtranspor­tes des Holzes. Dass jetzt gleich alle Eschen gefällt werden, glaubt er nicht: „Wenn wir eine sehen, die gesund ist, die ist uns heilig. Die lassen wir stehen.“

 ??  ??
 ??  ?? Das Sterben der Eschen, ausgelöst durch einen Mikropilz, breitet sich von Osten nach Westen aus.
Das Sterben der Eschen, ausgelöst durch einen Mikropilz, breitet sich von Osten nach Westen aus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria