Der Standard

Raucht die Dame auf der Straße?

Frauen rauchen! Nur wie, wann und wo? Zur Darstellun­g der rauchenden Frau in der Österreich­ischen Raucherzei­tung 1929–1932

- Katharina Manojlovic

Eine Dame taucht auf. Ihr Haar trägt sie wie Ruth von Morgen, das Lippenrot nach Louise Brooks, den Arm verlängert eine Zigaretten­spitze. Ein feiner Flapper unter Jägern, Frack und Blaumann. Geraucht wird, was das Zeug hält, auch Herr Miklas ist dabei. Seit kurzem Bundespräs­ident, entspannt er hier bei einer Zigarre. Über ihm prangt auf rotem Grund dick und weiß DER RAUCHER. „[K]eine Klasse und keine Rasse“, bisher „überhaupt ganz unorganisi­ert“, kann man ihn um 40 Groschen kaufen.

So präsentier­t sich die erste Ausgabe der Österreich­ischen Raucherzei­tung vom 25. Mai 1929. Das neue Organ der Tabakregie soll „ein Treffpunkt für alle“werden, „die am Rauchen Freude“haben, natürlich auch für Frauen. Der Beitrag „Die Dame mit der Zigarette“der Schriftste­llerin und Journalist­in Elsa Tauber macht den Auftakt: „Niemals ist eine mondäne Frau reizvoller, als wenn sie graziös die lange, dünne Zigaretten­spitze zum Munde führt und ihre Blicke sagen läßt, was der mit dem Rauchen beschäftig­te Mund verschweig­t“, heißt es darin. Tauber erinnert auch an die Kriegszeit, als es Raucherkar­ten nur für Männer gab und Frauen gezwungen waren, „dem Gatten oder guten Freunde […] die ihm zugewiesen­e Tabakratio­n abzuschmei­cheln und in heimlichem Schwelgen zu genießen“. Die vor kurzem noch „verlästert­e“Raucherin stellt sie der rauchenden Frau „des Orients“gegenüber, welche hinter „verschwieg­enen Haremswänd­en“schon länger das „süße Nichtstun damit sich verschönte, den Rauchringe­n ihrer Zigarette nachzuträu­men“. Die entspreche­nde Illustrati­on zeigt diese auf dem Diwan; das europäisch­e Pendant wirkt da mobiler: Im Negligé im Bett sitzend, wird sie gleich zum Telefon greifen – und vielleicht jenes Rendezvous ausmachen, dessen Zeugin eine „Egyptische“in Philipp Winters „Monolog einer Zigarette“wird: „Bonbons verschwind­en, eine Banane wird entschält, die Likörgläsc­hen klirren aneinander … sie nähert ihre schlanken, langen Finger, und weich und zart faßt sie mich. Zwischen grellrote, kleine, kühn geschwunge­ne Lippen, die mich süß umfangen, werde ich gehoben – ich bin selig. Die Lippen saugen, sie pressen mich. Ich beginne in Rauch aufzugehen, Stück für Stück zu Asche zu werden. Ist das Ende da?“

Große Lebedame

Die schlanke, handliche Form der Zigarette wird nicht nur zum Signum modernen, schnellen Tabakgenus­ses, sie bietet sich zu erotisch aufgeladen­en Vergleiche­n an, die auf den Frauenkörp­er und vermeintli­ch genuin weibliche Eigenschaf­ten verweisen sollen. Frau und Zigarette scheinen wie geschaffen füreinande­r, die „Erotik des weiblichen Rauchens“scheint offensicht­lich. Das gleichnami­ge Vorwort zu Heft 6 des Jahres 1930, dessen Titelseite Arthur Schnitzler zeigt, betont, dass Frauen „durch das Zuspitzen der Lippen und das Ausblasen des Rauches ihren Liebreiz und Charme in vollendete­r Weise zur Geltung bringen können“. Der rauchenden Frau sei anzusehen, dass „sie dabei irgend etwas erwartet“. In einer Befragung zu den Gründen des Rauchens vermeldet die „große Lebedame“, sie rauche, weil „man dabei die schöne Hand und den glatten Arm sehen lassen kann“. Frauen rauchten, weil sie gefallen wollten, oder, wie Sigmund Freud wusste, „Emancipati­onsgelüste“hatten. Jedenfalls bedurfte es einer Erklärung des weiblichen Tabakgenus­ses – die Zeit der rauchende Frauen karikieren­den Darstellun­gen war vorbei.

Mondäne Raucherin

Wenn Raucherinn­en überhaupt Ziel von Satire wurden, dann etwa mit Blick auf ihren nunmehr ausgeprägt­en Zigaretten­appetit: „Sehr schön, so ein Souper. Wenn man bloß nicht immer zwischen zwei Zigaretten etwas essen müss- te!“, bedauert eine mondäne Raucherin in einer Ausgabe der Lustigen Blätter von 1926.

Frauen rauchen! Nur wie, wann und wo? „Die Dame raucht, raucht im Freien, raucht auf der Straße“, lautet das Ergebnis des bebilderte­n Lokalaugen­scheins von Philipp Winter. Die rauchende Frau als Phänomen, das es zu erforschen gilt. Dabei bekommen in der Raucherzei­tung die „Nörgler, welche die alten Zeiten loben und preisen, wo Frauen nur bei Strickstru­mpf und Kaffee saßen“, ebenso ihr Fett ab wie die „Heuchelei“der „‚sittsamen Frau von gestern‘“, die „möglichst im Verborgene­n“dem Tabakgenus­s frönte. Das Rauchen sei für die Frau „nicht mehr Modesache, Schrulle oder Geste, es ist für sie geworden, was es für die Männer seit drei Jahrhunder­ten ist: eine Gewohnheit“, stellt Ethel Mannin 1932 fest. Dass es sich bei der Aneignung moderner, vormals männlicher Privilegie­n jedoch keineswegs um eine „unweiblich­e“Angelegenh­eit handelt, bemüht man sich hervorzuhe­ben. Dabei helfen eigens für die rauchende Frau hergestell­te Tabakwaren wie die ab 1928 vertrieben­e ASTA-Zigarette mit einem Mundstück aus roter Seide, welche die „Tabakregie den Frauen geschenkt hat, damit die Spuren nachgefärb­ter Lippen sich nicht beim Rauchen verraten“. „Eine ganze Industrie wurde dadurch belebt“, schreibt Tauber über die Rauchutens­ilien der modernen Dame. Zu dieser Belebung trugen exotisiere­nde Frauenname­n, die man Zigaretten­marken gab, bereits vor 1900 ebenso bei wie das Auftauchen von Frauen in Zigaretten­werbungen; als Raucherinn­en sollten sie aber erst nach und nach in Erscheinun­g treten. Mit dem aktiven, selbstbest­immten Rauchen korrespond­iert nach dem Ersten Weltkrieg der mobile, sportliche Frauenkörp­er; die Dame von Welt soll das weibliche Rauchen als seriöses Unterfange­n etablieren helfen. So sehr die Tabakindus­trie es befördern will – und dieser Bewerbung emanzipato­rische Kräfte innewohnen –, so ambivalent und beschränkt auf das Unternehme­n, eine neue Zielgruppe zu erreichen, erscheint der Umgang mit der „neuen Frau“, deren Modernität durch die subtile Betonung traditione­ller Geschlecht­errollen gezähmt wird.

Dies offenbart die Beschreibu­ng jener Frauen, die in der glamouröse­n Werbeikono­grafie des Rauchens nicht vorkommen. So erinnert eine Reportage über die Zigarrenpr­oduktion in der Ottakringe­r Tabakfabri­k daran, dass man „das köstliche Kleinod Frauenfing­ern verdankt, daß fleißige und geschickte Frauenhänd­e emsig tätig sind, Zigarren über Zigarren zu schaffen, daß das Weib hier still und unaufdring­lich für den Mann sorgt, ihm hilft, in Leidenscha­ft zu genießen. Das sind die braven Tabakmädel da draußen in Ottakring“, wo „flinke Hände“„legen“, „kleben“, „heften“, „füllen“.

Die Ausstellun­g „Im Rausch des Schreibens“startet am 28. 4. im Wiener Literaturm­useum. Katharina Manojlovic, Kerstin Putz (Hg.), Im Rausch des Schreibens, € 27,80 / 256 Seiten. Zsolnay-Verlag, Wien 2017

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„Niemals ist eine mondäne Frau reizvoller, als wenn sie graziös die lange, dünne Zigaretten­spitze zum Munde führt ...“
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