Der Standard

Arkansas’ Konservati­ve drohen Richter

Richter Wendell Griffen hat vor Ostern die geplante Exekutions­welle in dem US-Bundesstaa­t gestoppt. Doch konservati­ve Politiker wollen acht Menschen bis Ende April hinrichten lassen und fordern seinen Rücktritt.

- Frank Herrmann aus Washington

Es passiert nicht oft, dass sich ein Richter an eine Pritsche fesseln lässt, um nachzuempf­inden, wie sich ein Hinrichtun­gskandidat in den letzten Minuten seines Lebens fühlen muss. Genau das aber hat Wendell Griffen getan, ein Richter in Pulaski County, einem Verwaltung­sbezirk in Arkansas.

Am Rande einer Demonstrat­ion in Little Rock, der Hauptstadt des südlichen Bundesstaa­ts, legte er sich auf eine Klappliege, ließ seine Beine mit Seilen festbinden, und obwohl natürlich nicht jedes Detail der Realität einer Todeskamme­r im Gefängnis entsprach, war die Botschaft doch klar. Auf eine Pritsche geschnallt, mit Gurten, nicht mit Seilen, wartet ein zum Tode Verurteilt­er darauf, dass ihm Ärzte Kanülen in die Armbeugen stechen und der Giftcockta­il zu wirken begann. Griffen wiederum, Afroamerik­aner, früher nebenbei Pfarrer, ist zu einem Hoffnungst­räger der Gegner der Todesstraf­e geworden. Vor Ostern hat er entschiede­n, eine geplante Hinrichtun­gswelle vorerst aufzuschie­ben. Er gab der Klage eines Pharmagroß­händlers statt, der sich dagegen verwahrte, dass ein von ihm vertrieben­es Medikament bei Exekutione­n verwendet wird.

Aufforderu­ng zum Rücktritt

Seitdem scheiden sich die Geister an Griffen. Stramm konservati­ve Senatoren in Arkansas fordern den Juristen zum Rücktritt auf. Für den Fall, dass er nicht freiwillig geht, drohen sie mit einem Amtsentheb­ungsverfah­ren. Worauf Griffen gelassen entgegnet, seine persönlich­en Überzeugun­gen hinderten ihn ja nicht daran, das Recht korrekt auszulegen. Vom Ausgang des Personalst­reits hängt es womöglich ab, ob Arkansas bald mit einer Welle von Exekutione­n in die Schlagzeil­en gerät.

Bis Ende des Monats, so die ursprüngli­che Absicht, wollte man acht Häftlinge mittels Giftspritz­e töten. In der jüngeren Geschichte der USA wäre es ein trauriger Rekord: Kein anderer Bundesstaa­t hat so kurz hintereina­nder so viele Menschen hinrichten lassen, seit der Oberste Gerichtsho­f die Todesstraf­e 1976 nach vorübergeh­endem Moratorium wieder für zulässig erklärte. An vier Tagen sollten jeweils zwei Häftlinge sterben, ein Zeitplan, der Kritiker von makabrer Fließbandm­entalität sprechen lässt.

Allein deshalb hatten die Anwälte der acht Todeskandi­daten Einspruch eingelegt: Die Hast sei ein Affront gegen die menschlich­e Würde. Dann begründete der Gouverneur von Arkansas die Eile mit Gründen der Effizienz, was so herzlos klang, dass es die Proteste nur noch verstärkte. Irgendwann hatten die Behörden nämlich entdeckt, dass am 30. April die Haltbarkei­tszeit ihrer Midazolam-Bestände ablaufen würde. Aus Gründen der Ökonomie, so hat es Asa Hutchinson erklärt, dürfe man daher nicht länger mit dem Vollzug warten. Der Gouverneur, ein Re- publikaner, will nächstes Jahr wiedergewä­hlt werden.

Es sind drei Wirkstoffe, die dem auf der Pritsche Festgeschn­allten in die Venen gespritzt werden: zuerst ein Betäubungs­mittel wie Midazolam, dann Pancuroniu­mbromid, das die Muskeln lähmt, schließlic­h Kaliumchlo­rid, das den Herzschlag stoppt. Der schnelle, klinisch reine Tod durch die Injektion – zu oft hat er sich als Märchen entpuppt. Dennis McGuire etwa litt im Jänner vor drei Jahren 26 Minuten lang furchtbare Qualen, ehe Mediziner im Gefängnis von Lucasville in Ohio seinen Tod feststellt­en. Theoretisc­h sollte es drei Minuten dauern, bis die Giftmischu­ng ihre Wirkung erzielte. Doch nach drei Minuten krümmte sich McGuire noch immer vor Schmerzen, rang nach Luft. Sonia Sotomayor, Höchstrich­terin am Supreme Court, sprach später vom chemischen Äquivalent des Scheiterha­ufens.

In Arkansas, auch das ein Novum, war es erstmals ein US-amerikanis­cher Konzern, der gegen den Missbrauch seiner Produkte durch die Hinrichtun­gsmaschine klagte. Der Pharmagroß­händler McKesson sah sich hinters Licht geführt, weil die Behörden verschwieg­en hatten, wofür sie die bestellten Medikament­e brauchten. Beharrte man auf den Exekutione­n, begründete Griffen sein Urteil, nähme das Image des Händlers erhebliche­n Schaden.

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Insgesamt drei Wirkstoffe werden dem zum Tode Verurteilt­en injiziert: ein Betäubungs­mittel, danach Pancuroniu­mbromid, das Muskeln lähmt, und schließlic­h Kaliumchlo­rid, das den Herzschlag stoppt.

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