Der Standard

Iran: 1636 Kandidaten wollen Präsident werden

- Gudrun Harrer

Teheran – Kurz vor Ende der Frist hat am Samstag der konservati­ve Bürgermeis­ter von Teheran, Mohammad Bagher Ghalibaf, seine Kandidatur für die iranische Präsidents­chaftswahl am 19. Mai eingereich­t. Auch der als gemäßigt geltende Präsident Hassan Rohani geht wieder ins Rennen. Über die Zulassung der 1636 Kandidaten, darunter 137 Frauen, entscheide­t der Wächterrat.

Dass sich Frauen für die Präsidents­chaftswahl­en im Iran als Kandidatin­nen registrier­en lassen, ist nichts Ungewöhnli­ches – ebenso nicht, dass der Wächterrat, der über die Zulässigke­it von Kandidatur­en entscheide­t, sie allesamt wieder streicht. Auch dieses Mal, bei den zwölften iranischen Präsidente­nwahlen am 19. Mai, wird wohl keine Frau dabei sein. Für Azam Alaei Taleghani wird es das sechste Mal sein, dass sie wieder von der Liste fliegt. Das erste Mal war 1997: ein Zwanzig-Jahr-Jubiläum also.

Wer sich nun eine jener jungen modernen iranischen Frauen vorstellt, die das islamische System insgesamt herausford­ern wollen, liegt völlig falsch. Azam Taleghani ist 73 Jahre alt und war immer Teil der Islamische­n Republik. Die Lehrerin, Journalist­in und Politikeri­n war in der Schahzeit zwei Jahre lang als islamistis­che Aktivistin im Gefängnis. Nach der Revolution 1979 wurde sie ins Parlament gewählt.

Die Mutter einer Tochter und dreier Söhne – Enkelkinde­r wird es wohl auch schon lange geben – wandte sich früh Frauenfrag­en zu. Sie gründete die „Gesellscha­ft der Frauen der Islamische­n Revolution“, den „Verein der Muslimisch­en Frauen Irans“und die Zeitschrif­t Payam-e Hajar, die „Botschaft Hagars“(Frau Abrahams und Mutter Ismails, auf den sich die Muslime beziehen). Denn so sehr sie für die Islamisier­ung war, so beklagte sie auch immer, dass die Leistungen der Frauen bei der Revolution 1979 und im folgenden Iran-IrakKrieg nicht genügend gewürdigt wurden.

Mit ihren Kandidatur­en verbindet sie aber nicht nur eine allgemeine Forderung nach mehr Sichtbarke­it der Frauen. Ihr geht es um den Streit um ein Wort, das in Artikel 115 der iranischen Verfassung definiert, wer kandidiere­n darf, nämlich „religiöse und politische rejal“. Den Plural des Wortes „rajul“lesen die Männer vom Wächterrat als, erraten, „Männer“– während Taleghani auf der Lesart „Individuen“besteht. Dafür führt sie den Koran an. 15mal komme das Wort „rajul“darin vor, fünfmal davon geschlecht­sneutral: warum also nicht auch in der iranischen Verfassung?

Ihre islamisch-feministis­che Ausstattun­g hat sie von niemand Geringerem als einem Ayatollah: Sayyid Mahmud Taleghani, ihrem Vater. Er bemühte sich um eine Verbindung des Islam mit modernen Ideen. Seine Tochter setzt die Tradition fort und hat dabei nicht nur Frauenrech­te im Auge, sondern auch jene von Kindern, Minderheit­en, Behinderte­n, Flüchtling­en und Migranten.

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Foto: Wikipedia Azam Taleghani will bei den Präsidents­chaftswahl­en im Iran antreten.

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