Der Standard

Der Wolf im Burgerlade­n

In seinem Biopic „The Founder“erzählt John Lee Hancock, wie ein Handelsrei­sender ein Fastfood-Imperium aufbaute. Nur dass die geniale Idee nicht von Ray Kroc stammte, sondern von den Brüdern McDonald.

- Ab Donnerstag Michael Pekler

Wien – Manche Dinge kann man nicht wissen, bevor man sie nicht zum ersten Mal gemacht hat. Damit sind nicht die großen Entscheidu­ngen des Lebens gemeint, sondern jene kleinen, die eben noch nicht zum Alltag gehören: dass man etwa 1954 einfach nicht weiß, wo man seinen Hamburger essen soll, wenn man noch nie zuvor einen in die Hand gedrückt bekommen hat.

Ray Kroc (Michael Keaton) nimmt den Rat des freundlich­en Angestellt­en an und setzt sich mit seinem Laibchen auf eine Parkbank. Kaum hatte er die Bestellung aufgegeben, hielt er sie auch schon in Händen. Einfach verblüffen­d. Ein derartig einzigarti­ges Konzept hat selbst er als hartgesott­ener Vertreter für Milkshakem­ixer noch nicht gesehen. Von nun an soll ihm nicht mehr die Türe vor der Nase zugeschlag­en werden. Denn aus dieser Idee muss sich doch Profit schlagen lassen, auch wenn sie nicht von ihm stammt, sondern von Dick (Nick Offerman) und seinem Bruder Mac (John Carroll Lynch) McDonald.

„I know what needed to happen – franchise!“Ray Kroc ist ein Mann der Tat, mehr noch aber einer der Worte. Denn bevor er seinen Traum auf Kosten der McDonalds verwirklic­hen kann, heißt es, Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Sie hätten sich einen Wolf in den Hühnerstal­l geholt, meint Dick zu dem Bruder, aber tatsächlic­h hat dieser Wolf zuvor ordentlich Kreide geschluckt.

The Founder erzählt denn auch weniger von der Gründung eines Imperiums als von der Übernahme eines Familienun­ternehmens, das in der Folge von einem einzigen Mann zum Konzern ausgebaut wird. Wobei der Kunstgriff von Regisseur John Lee Hancock und Autor Robert Siegel, der bereits mit The Wrestler ein famoses Biopic fürs Kino schrieb, darin besteht, diesem Wolf nicht unbedingt ans Leder zu wollen.

Rote Fähnchen

Denn The Founder hält sich zwar mit markanten Onelinern („McDonald can be the next American church“) und plakativen Gesten (andächtig zerkrümelt Kroc einen Klumpen Erde seiner ersten Baustelle) nicht zurück, erzählt von der Wahrwerdun­g des amerikanis­chen Traums „from coast to coast“aber keineswegs euphorisch.

Kroc, der bei den McDonalds sukzessive die Macht übernimmt und seine roten Fähnchen auf die US-Landkarte pinnt, bleibt eine ambivalent­e Figur, die sich weniger auf ihre Genialität denn auf ihre Beharrlich­keit einbildet. Kroc ist kein junger Börsenmakl­er wie Leonardo DiCaprio in Wolf of the Wall Street oder genialer Computertü­ftler wie Jesse Eisenberg in The Social Network, sondern ein in die Jahre gekommener Handelsrei­sender, der seine letzte Chance ergreift – und dafür sogar seine Ehe (großartig: Laura Dern) demoliert.

Es ist vor allem das Verdienst des beeindruck­end aufspielen­den Michael Keaton, dieser getriebene­n und erstaunlic­herweise nie schwächeln­den Figur ihre Undurchsch­aubarkeit zu belassen. Keaton ist das energiegel­adene Zentrum dieses Films, und Kroc ein Mann, der keinen Unterschie­d macht zwischen seinem eigenen Traum und jenem Amerikas. Wenn sie schon nicht für sich selbst expandiere­n wollen, lässt er die McDonalds wissen, dann sollen sie es wenigstens für ihr Land tun. Und er meint dabei sein Land. „Do it for America!“– Politik und Religion haben hier nichts zu suchen, und ein jüdischer Bibelverkä­ufer wird schneller Krocs erster Filialleit­er, als man einen Burger zubereiten kann.

Goldene Zukunft

The Founder erzählt aber auch davon, wie Massenprod­uktion zu neuer Kontrolle führt: Jeder einzelne Tropfen Ketchup wird gezählt, und wer wie die McDonalds auf echte Milch – statt wie Kroc auf entspreche­ndes Pulver – setzt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Dick und Mac, die sich als gute Kapitalist­en geschlagen geben müssen, wären mit ihrem Bestehen auf individuel­le Qualitätsk­ontrolle heute wohl Besitzer eines regionalen Bioladens.

John Lee Hancock, der zuletzt mit dem Biopic Saving Mr. Banks das Aufeinande­rtreffen von Walt Disney und der Mary Poppins- Autorin P. L. Travers verfilmte, fühlt sich in der Eisenhower-Ära jedenfalls sichtlich wohl: Im Rückblick auf die pastellfar­benen Jahre strahlen die „Golden Arches“in die Zukunft Amerikas.

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Er machte Amerika wirklich groß: Ray Kroc (Michael Keaton) eröffnet in „The Founder“gern Imbissbude­n und denkt dabei an sein Land.

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