Bischagl-Beschagl-Bumm: Weber im Waldviertel
Was haben die Feuerwehr Kautzen und die Filmfestspiele in Cannes gemeinsam? Beide sind Kunden des Waldviertler Frottierwerks Herka. Auch wenn es schwer sei, heute Weber zu sein – für Thomas Pfeiffer spielt es in seinem Werk die schönste Musik.
Kautzen – Fuchs und Hase sagen sich hier gute Nacht – auf dem uneingefriedeten Acker hinter der kleinen Fabrikshalle in Kautzen, einer 1154 Einwohner zählenden Gemeinde im nördlichen Waldviertel gleich bei der tschechischen Grenze. An den Werktagen ertönt in ihrem Innern ein lautes Konzert ratternder Maschinen.
„Der Bischagl-Beschagl-BummKlang beim Dreischlagfrottier – Schiffchen rechts, Schiffchen links, Anschlag – war schon immer Musik für mich“, erzählt Thomas Pfeiffer, Herr über 20 Jacquard-Webstühle. Der 44-Jährige führt das Unternehmen Herka, das Frottierwaren herstellt, in der vierten Generation.
Vor 90 Jahren hat Urgroßvater Karl Hermann im benachbarten Frühwärts mit der Erzeugung von Mulltüchern, Verbandsstoff, Windeln, Glastüchern und Frottiertüchern begonnen. „Wir sind Weber und wollen Weber bleiben“, sagt Pfeiffer – trotz zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch Importe aus Billigländern wie Pakistan, Indien oder Türkei.
Der einst weitverbreitete Wirtschaftszweig ist in den vergangenen Jahrzehnten fast verdorrt. Heute gibt es in Österreich noch etwa 50 Webereien. Die verbliebenen drei industriellen Frottierwebereien (Wirtex, Framsohn und Herka) konkurrieren sich in naher geografischer Distanz.
„Das Waldviertel ist als Standort nicht von Vorteil“, meint der Herka-Chef, „ein infrastrukturelles Niemandsland“– mit schlechter Anbindung an Autobahn- und Bahnnetz. „Dafür werden wir mit einem vergünstigten Glasfasernetz ausgestattet, auch wenn es weit und breit keine virtuellen Arbeitsplätze gibt“, unkt er.
Es werde zunehmend schwieriger, Stellen nachzubesetzen. Sein Unternehmen biete Lehrstellen an, „doch junge, motivierte Menschen zu finden, die zudem die Grundrechenarten beherrschen, ist kein leichtes Unterfangen“. Es handle sich ja auch nicht gerade um prestigeträchtige Jobs, wenn man in den Medien als Krisenbranche bezeichnet werde – „und pfuschen kann man in unserem Gewerbe auch nicht“, beschreibt er die Problematik.
Die insgesamt 80 Mitarbeiter in Kautzen stammen einerseits aus der Umgebung, andererseits pendeln täglich viele Tschechen in den Ort. In Gmünd beschäftigt Herka in der 2013 zugekauften Textilfärberei Eybl (heute Textilveredelung Gmünd, TVG) zusätzlich 35 Personen.
600 Tonnen Garn
Geht man von einer Handtuchfläche von 50 mal 100 cm aus, erzeugen sie im Drei-Schicht-Betrieb pro Tag 12.000 bis 13.000 Stück schlingenreiche Heimtextilien. „Über die Menge Baumwollgarn, die für die Schlingenerzeugung verwendet wird, definiere ich die Saugfähigkeit des Gewebes“, erklärt Pfeiffer. Von den 3700 Tonnen Garnen, die pro Jahr nach Österreich importiert werden, werden ihm zufolge 600 Tonnen bei Herka verwebt.
„Frottieren“ist ein im 18. Jahrhundert aus dem französischen „frotter“entlehnter Begriff für „(mit Tüchern) abreiben, trockenreiben“. Das Gewebe mit seinen unzähligen kleinen Schlaufen geht nicht verifizierbaren Erzählungen zufolge auf einen Fehler türkischer Weber im 19. Jahrhundert zurück. Die verpatzte Ware gelangte nach England, wo sie großen Anklang gefunden habe.
Rund sieben Millionen Euro Umsatz hat Herka im Vorjahr erwirtschaftet. Der Wettbewerbsdruck sei zwar hoch. Doch die Fähigkeit, Spezialanfertigungen in fast beliebiger Größe und Menge mit schnellen Lieferzeiten herzustellen, komme bei Kunden aus aller Welt an, sagt Pfeiffer. Die Kundenliste reicht von der Freiwilligen Feuerwehr Kautzen bis zu den Filmfestspielen Cannes oder Nobelhotels wie das Bristol und Imperial in Wien.
Bei einem Exportanteil von rund 50 Prozent produziert der Waldviertler Betrieb zu 50 bis 60 Prozent für den Hotel- und Wellbeing-Bereich sowie für Wäschereien und Mietwäscheanbieter. Viele Großaufträge werden auch bei öffentlichen Ausschreibungen im Gesundheitsbereich (etwa Wiener Krankenanstaltenverbund, KAV) gewonnen. Ein wachsender Zweig sind individuelle Kollektionen im Promotionbereich, die zuletzt 20 Prozent des Umsatzkuchens ausmachten.
Der Wille und die Überzeugung, das Geschäft auszubauen zu können, sind da – und zwar durch Expansion im Waldviertel und nicht durch Auslagerung in ein Billiglohnland. „Es ist ein Trugschluss, dass es viel bringt, in solchen Ländern fertigen zu lassen“, betont der Unternehmer. „Man verliert Teile seiner Kompetenzen, und ‚Importeure‘ gibt es schon genug.“
Kommendes Jahr will Pfeiffer noch ein Kettbaumlager und ein Bürogebäude errichten lassen. Sorge bereitet ihm aber schon jetzt der geplante gesetzliche Mindestlohn. „Das bedeutet für mich einen jährlichen Mehraufwand von 98.000 Euro. Geld, das erst einmal verdient sein muss.“Doch wie heißt es so schön: Mit Musik geht alles besser: bischagl-beschagl-bumm.