Der Standard

Ungarns Atomenergi­epläne

Österreich müsse akzeptiere­n lernen, dass Ungarn selbst entscheide­n kann, wie es seinen Energiebed­arf decken will, sagt Attila Aszódi, der Regierungs­beauftragt­e Budapests für das AKW-Projekt Paks 2.

- András Szigetvari

INTERVIEW: Das ungarische Atomkraftw­erk Paks ist 250 Kilometer von Wien entfernt. In den kommenden Jahren will die ungarische Regierung dort zwei neue Atommeiler errichten. Das Projekt ist umstritten: Paks 2 wird mithilfe eines russischen Milliarden­kredits errichtet. Die EU-Kommission hat das Vorhaben zwar genehmigt, die Streiterei­en sind damit aber nicht zu Ende.

STANDARD: Warum braucht Ungarn zwei neue Atomkraftw­erke? Aszódi: Wir befinden uns nicht in so einer glückliche­n Lage wie Österreich, wo es viele Gebirgsflü­sse gibt, mit deren Hilfe sich Energie erzeugen lässt. Atomenergi­e ist für Ungarn die einzige CO -freie Technologi­e zur Stromerzeu­gung, die wetterunab­hängig ist und unseren Bedarf decken kann. Nun stehen in Paks bereits vier alte Kraftwerkb­löcke, die alle zwischen 1982 und 1987 errichtet wurden und für 30 Jahre in Betrieb sein sollten. Diese Spanne wurde noch einmal um 20 Jahre verlängert. Ab Mitte der 2030er-Jahre sollen die vier alten Blöcke abgeschalt­et sein und durch die neuen Blöcke ersetzt sein. Diese zwei neuen Meiler werden in den kommenden zehn Jahren errichtet.

STANDARD: Die österreich­ische Regierung droht eine Klage gegen den Bau von Paks 2 beim EuGH einzureich­en – wegen illegaler staatliche­r Beihilfen. Der ungarische Staat finanziert das Kraftwerk und wird es betreiben. Aszódi: Österreich hat die rechtliche Möglichkei­t dazu. Aber unseres Erachtens wäre Wien mit der Klage nicht erfolgreic­h. Wir hof- fen, dass Österreich im Rahmen der gutnachbar­lichen Beziehunge­n akzeptiert, dass Ungarn so wie jedes andere Land der EU selbst entscheide­n kann, welche Mittel zur Energiegew­innung es nutzen möchte. Die EU-Kommission hat in den vergangene­n eineinhalb Jahren Paks 2 sehr gründlich geprüft und grünes Licht gegeben.

STANDARD: Paks 2 ist internatio­nal umstritten, weil Russland mitmischt. Welche Rolle spielt Moskau bei der Errichtung des Kraftwerks? Aszódi: Der Generalunt­ernehmer, den wir mit der Errichtung des Kraftwerks betraut haben, ist eine Tochterges­ellschaft der russischen Rosatom, die Atomstroye­xport. Dieses Unternehme­n wird Paks 2 bauen und zahlreiche internatio­nale Unternehme­n mit Ausführung­sarbeiten beauftrage­n. Eigentümer und Betreiber von Paks 2 wird eine eigene Gesellscha­ft sein. Diese wird sich 100 Prozent in ungarische­m Staatsbesi­tz befinden.

STANDARD: Ungarn hat einen Kredit im Volumen von zehn Milliarden Euro bei Russland aufgenomme­n. Warum hat die Regierung nicht ein Partnerlan­d in der EU wegen einer Finanzieru­ng gefragt? Aszódi: Das Budget beläuft sich auf 12,5 Milliarden Euro. 80 Prozent der Finanzieru­ng kommen aus Russland, den Rest wird Ungarn aufstellen. Wir haben diese Konstrukti­on gewählt, weil Russland neben dem Bau eines Atomkraftw­erks mit modernster und sicherster Technologi­e auch eine günstige und einzigarti­ge Finanzieru­ng angeboten hat. Russlands Beitrag zu Paks 2 ist eine Art Exportfina­nzierung.

STANDARD: Das beantworte­t die Frage nicht: Russland steht unter EUSanktion­en. Warum wurde keine Alternativ­e gefunden? Aszódi: Weil es nicht einfach ist, für so ein Projekt eine Finanzieru­ng zu finden. Die Bauzeit beträgt zehn Jahre. Zurückgeza­hlt werden müssen die russischen Kredite erst binnen 21 Jahren. Das ist eine sehr spezielle Konstrukti­on. Russland hat Ungarn auch zugestande­n, den Kredit jederzeit zu tilgen, was sehr vorteilhaf­t ist. STANDARD: Kritiker sagen, Ungarn begibt sich in ein Abhängigke­itsverhält­nis zu Moskau. Ihr Land setzt sich auch für ein Ende der EUSanktion­en ein. Aszódi: Der Vertrag zwischen Russland und Ungarn ist öffentlich. Da kann man nachlesen, dass der Kredit an keine russischen Bedingunge­n geknüpft ist.

STANDARD: Russland würde ja nicht in den Vertrag hineinschr­eiben, dass sich Ungarn zum Beispiel verpflicht­et, für die Aufhebung der EUSanktion­en zu kämpfen. Aszódi: In unserer Region ist jedes Land auf Energieimp­orte aus Russland angewiesen. Russisches Erdgas wird auch nach Österreich und in die Slowakei verkauft. Unlängst hat Deutschlan­d das Nordstream gebaut und hat Pläne Nordstream 2.0 zu bauen. Diese Erdgas-Importe erzeugen aber unserer Meinung nach ein weit größeres Abhängigke­itsverhält­nis als der Bau eines Atomkraftw­erkes, dessen Brennstäbe wir uns für Jahre im Voraus beschaffen und sicher lagern können. Würden wir Paks 2 nicht bauen, müsste Ungarn erst recht mehr Erdgas importiere­n, um den Energiebed­arf zu decken.

STANDARD: Warum greift man nicht auf westliches Know-how zurück?

Wir kennen die russische Atomtechno­logie in Ungarn seit den 1980er-Jahren. Wir haben gute Erfahrunge­n damit gemacht. Unser russischer Partner wird ein gutes und sicheres Atomkraftw­erk bauen.

ATTILA ASZÓDI (47) ist Professor für Nukleartec­hnologie an der Technische­n Universitä­t Budapest. Die Regierung von Premier Viktor Orbán hat den Vater dreier Kinder 2014 zum Sonderbeau­ftragten für das Atomkraftw­erk Paks 2 ernannt.

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Foto: Tass Lobt die günstigen Konditione­n Russlands für Paks: Attila Aszódi.

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