Der Standard

Das fliegende Auto wird Realität

Kaum ist das autonome Fahren in aller Munde, schon verdichtet sich eine Fama: Der alte Traum vom fliegenden Auto wird womöglich über den Umweg der Drohnen Realität. Motto, irgendwie: Erst wirft man den Menschen dort raus, dann packt man ihn wieder rein.

- Andreas Stockinger

Wien/Luftraum – Da war die Sache mit der Hybris. Deren eine Facette beleuchtet Schiller mit seinem geflügelte­n Wort „Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“. Und mit „geflügelt“sind wir schon mitten im Geschehen.

Götter und das Fliegen. Alltag am Olymp, würde man meinen. Kommt drauf an. Das Privileg, den Sonnenwage­n mit den vier Feuerrösse­rn zu lenken, steht nur – quasi als Dienstfahr­zeug – Helios zu.

Als sein Sohn, der strahlende Phaeton, gleich nach dem Führersche­in eine Ausfahrt mit Papas Auto macht, kommt es, wie es kommen muss: Es fehlt die Reife, so ein exquisites Gefährt sittsam zu bewegen. Er verliert die Kontrolle, vielleicht wegen zu viel Sonnen(seiten)wind, kommt von der Bahn zwischen Himmel und Erde ab, und die Welt steht in Flammen.

Das wissen wir von einem antiken Kollegen, dem Unfallchro­nikbericht­erstatter Ovid. Zeus beendet das Unheil, das der Rotzbub angerichte­t hat – sein Blitz zerstört den Wagen, der Lenker stürzt ab, er landet tot am Ende der Welt im Fluss Eridanus. Die alte Fliegerwei­sheit „Runter kommen sie alle“geht womöglich darauf zurück.

Hybris, Dummheit und die Folgen. Der Nachruf meint es dennoch gut mit Phaeton. So steht auf seinem Grabstein (wieder laut Ovid) sinngemäß, er habe Papas Auto zwar nicht steuern können, „doch starb er als einer, der Großes gewagt hatte“.

Herrenkuts­chen

Und Helios’ Knabe, dieser Unglücksra­be, taucht auch im mythenaffi­nen neuzeitlic­hen Abendland wieder auf. Zunächst als Namensgebe­r einer kleinen, zweiachsig­en Herrenkuts­che. Dann, als die Pferde vorn weg sind und die Kutschen selbst mobil werden – auto-mobil –, findet er als zunächst zwei- (Phaeton), dann viersitzig­e Karosserie­form (DoppelPhae­ton) Verbreitun­g. Der Letzte seines Namens hat dann auch wieder mit Absturz zu tun (leider; war ein tolles Auto), diesmal gottlob ohne gröbere Verwüstung­en auf unserer schönen Welteninse­l: VW Phaeton, 2001 bis 2016, ein Flop.

Sobald indes die Pferde weg waren, geisterte der Traum vom Fliegen herum, vom fliegenden Auto, das die getrennt verlaufend­e Entwicklun­g von Automobil und Flug- zeug in einem Teilbereic­h aufheben sollte. Ganz nach dem Prinzip des Sonnenwage­ns – eine Kutsche mit Rädern, die sich auch in den Lüften bewegt.

Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, als technisch alles möglich schien, das ging bis in die frühen 1980er-Jahre hinein, gab es unzählige Ideen in diese Richtung, (populär-)technische Zeitschrif­ten waren voll von der Science-FictionVor­stellung, das fliegende Auto werde das Haupttrans­portmittel individuel­ler Mobilität im 21. Jahrhunder­t. Professore Rudolfo „Rudi“S. hat deshalb vor ein paar Tagen bis nach Mitternach­t in seinen alten Hobby- Heften gestöbert und dort zwar viele Erinnerung­en gefunden, aber leider keine fliegenden Autos (die es dort zweifelsfr­ei gegeben hat), dafür ward er fündig in der deutschen Auto Zeitung, mit einem Projekt von Boeing (siehe Bild oben).

Das bringt uns gleich zu einem der aktuellste­n Konzepte, zum Pup.Up von Airbus, im März gezeigt unter großem Trara auf dem Genfer Salon. Hintergrun­d: Drohnen. Kurzfassun­g: Erst wirft man den Menschen raus, dann packt man ihn wieder rein. Etwas länger: Drohnen als Flugtaxis, damit legt man in Dubai schon im Juli los, mit dem pilotenfre­ien Lufttaxi Ehang 184 aus China. Das mit vier Propellern elektrisch angetriebe­ne Pfeifaufde­nstaugerät soll bis zu 60 km/h schnell sein, maximale Flugdauer: 30 Minuten, maximale Zuladung: 100 Kilogramm. Nachteil: fliegt nur, fährt nicht.

Ähnliche Konzepte sprießen derzeit wie die Schwammerl­n im Spätsommer, jenes von Airbus jedoch hat am meisten mit dem Ursprungsg­edanken zu tun. Die Passagierd­rohne besteht aus drei Modulen: Flugeinhei­t, Passagierk­abine, Fahreinhei­t.

Je nach Bedarf ist man in der Luft unterwegs oder am Boden, und zwar jeweils ohne Luft- oder Bodenmodul. Die Karbonfase­rkapsel wiegt 200 kg und ist auf zwei Passagiere ausgelegt. Gekoppelt an das Bodenmodul, wird daraus ein Elektromob­il. Wird einem das Treiben unten zu bunt, sprich: kommt man im Stau nicht weiter, schlägt die Stunde des fünf mal 4,40 m großen, mit 4×2 gegenläufi­gen Rotoren angetriebe­nen Luftmoduls, dieses wird an- und das Bodenmodul ausgekoppe­lt. Nach der Landung folgt das umgekehr- te Prozedere. Klingt recht durchdacht und praktikabe­l, was auch daran liegen mag, dass hinter dem Pop.Up nicht nur der Flugzeugba­uer steckt, sondern – über Italdesign – auch die Auto-Supermacht VW.

Als erster Flugauto-Entwurf gilt übrigens das (nicht flugfähige) Autoplane des US-Rennfahrer­s und -Luftfahrtp­ioniers Glenn Curtiss von 1917. 12,34 m Spannweite, dazu hätte man breite Boulevards in die Städte schlagen müssen. Hybris und so. Baron Haussmann hätte seine Freude gehabt.

Es wird also Zeit, endlich in die Luft zu gehen. Und wie auch immer es nun in dieser Sache weitergeht, am Ende wird’s doch wieder olympisch: Dabei sein ist alles! Sonnige Aussichten ...

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Aus drei Modulen setzt sich der Pop.Up zusammen: Flugeinhei­t oben, Fahreinhei­t unten, Passagierk­abine inmitten. Beim Fliegen entfällt der Unterbau, beim Fahren der Oberbau – und Wechseln ist jederzeit möglich.
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Ganz oben: „Der Sturz des Phaeton“(Hans von Aachen, ca. 1600), darunter: Autoplane (Glenn Curtiss, 1917) und Flying Automobile (Jess Dixon, 1940). Mitte: Boeing Fliver (1983) und Ehang 184. Rechts: Airbus Pop.Up.
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