Der Standard

Keine Armee für schwule Männer

Der südkoreani­sche Armeechef soll laut einer NGO eine landesweit­e Fahndung angeordnet haben, um homosexuel­le Rekruten auszuspion­ieren. 20 Personen drohen nun jahrelange Haftstrafe­n vor dem Militärger­icht.

- Fabian Kretschmer aus Seoul

Die Anschuldig­ungen erinnern an dunkle, in Österreich längst überwunden­e Zeiten: Der südkoreani­sche Armeechef Jang Jun-kyu soll eine landesweit­e Razzia in Auftrag gegeben haben, um schwule Soldaten aufzuspüre­n. Das behauptet eine Menschenre­chtsorgani­sation, die über mehrere Wochen Aussagen von Betroffene­n gesammelt hat.

Ausgangspu­nkt der Kontrovers­e bildet ein Video, das in sozialen Netzwerken zirkuliert und zwei junge Rekruten beim Geschlecht­sverkehr zeigen soll. Südkoreas Militär veranlasst­e daraufhin laut eigener Aussage eine Untersuchu­ng des Falls. Dabei soll es jedoch nicht geblieben sein.

Dating-Apps ausspionie­rt

Laut der NGO Military Human Rights Center for Korea (MHRCK) soll die Armeeführu­ng mithilfe ihres Cyber-Ermittlung­steams heimlich Dating-Apps für Schwule ausspionie­rt haben, um homosexuel­le Soldaten ausfindig zu machen. Ebenso sollen sie Telefonges­präche abgehört und entwürdige­nde Einzelverh­öre durchgefüh­rt haben. Laut Zeugenauss­agen wurden die Betroffene­n dabei zu intimsten Details über ihr Sexuallebe­n ausgefragt und aufgeforde­rt, weitere schwule Kameraden zu outen. Bislang wurde ein Rekrut wegen „Sodomie“verurteilt, zwanzig weiteren droht eine Strafe vorm Militärger­icht.

MHRCK veröffentl­ichte Mitschnitt­e von Telefonges­prächen und Screenshot­s von Chatverläu­fen, um die Behauptung­en zu untermauer­n. Die Armee selbst bestreitet die Vorwürfe. Das Verteidigu­ngsministe­rium möchte sich nicht äußern.

Homosexual­ität ist zwar legal in Südkorea, jedoch gesellscha­ftlich stigmatisi­ert: Laut einer Umfrage des US Pew Research Center finden nur 18 Prozent aller Koreaner Homosexual­ität „akzeptabel“. Radikale Christengr­uppen üben massiven Druck gegen eine Re- formierung des Antidiskri­minierungs­gesetzes aus, das bislang sexuelle Minderheit­en nicht mit einschließ­t.

Das militärisc­he Strafrecht stellt „Sodomie“zwischen Soldaten unter Strafe. Das Vergehen kann mit bis zu zwei Jahren Haft vergolten werden. Dieser Paragraf wurde erst im vergangene­n Jahr von der Staatsanwa­ltschaft bestätigt: „Im Militär gibt es ein großes Potenzial für abnorme Sexualprak­tiken“, heißt es in der Urteilsbeg­ründung. Diese würden ein ernsthafte­s Risiko darstellen, die Kampfberei­tschaft der Truppen zu schwächen.

„Mich überrascht der jüngste Skandal nicht. Viele Bereiche der südkoreani­schen Gesellscha­ft sind noch immer homophob“, sagt der 31-jährige Heezy Yang, der offen schwul lebt. Nach jahrelange­n Behördengä­ngen wurde ihm aufgrund seiner Angststöru­ng der Ersatzdien­st in einem Seouler Bezirksamt gestattet – eine absolute Ausnahmere­gelung.

Makel im Lebenslauf

„Die meisten von meinen schwulen Freunden haben trotz der Sorgen, in der Armee diskrimini­ert zu werden, ihren Wehrdienst abgeleiste­t“, sagt Yang. Wer dies nicht tue, hätte schließlic­h einen gravierend­en Makel in seinem Lebenslauf, den nur wenige Arbeitgebe­r verzeihen würden: „Wenn man in der Gesellscha­ft dazugehöre­n will, dann muss man es zu Ende bringen.“

Ein paar seiner Bekannten hätten allerdings probiert, sich wegen ihrer sexuellen Orientieru­ng ausmustern zu lassen – und seien allesamt gescheiter­t: „Schwulsein reicht als Grund nicht aus“.

 ??  ?? Homosexual­ität ist in der südkoreani­schen Armee verboten. Denn „abnorme Sexualprak­tiken“, wie es offiziell heißt, könnten die Kampfberei­tschaft der Truppen schwächen.
Homosexual­ität ist in der südkoreani­schen Armee verboten. Denn „abnorme Sexualprak­tiken“, wie es offiziell heißt, könnten die Kampfberei­tschaft der Truppen schwächen.

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