Der Standard

Die Fahnen der Roten wehen auf Halbmast

Die SPÖ Wien wirbt um Leute. Zwar gab es in den vergangene­n Jahren mehr Eintritte als Austritte, trotzdem wird die SPÖ kleiner: Die Mitglieder altern und sterben. Initiative­n sollen Abhilfe schaffen und Junge holen.

- Oona Kroisleitn­er, Christa Minkin

Wien – Die Sozialdemo­kratie sei eine „große Familie“, sagt Wiens Bürgermeis­ter und SPÖ-Chef Michael Häupl. Ihr Problem ist, dass sie immer kleiner wird: Zu Blütezeite­n habe die Wiener SPÖ um die 300.000 Mitglieder gezählt. Aktuell sind es rund 45.000. Sie altern – im Durchschni­tt sind die Wiener Mitglieder 61,6 Jahre alt – und sterben. So sinken die Mitglieder­zahlen, obwohl es mehr Neueintrit­te in die Partei gibt als Austritte. 2015 etwa traten 4778 Menschen der SPÖ Wien bei, etwas weniger traten aus: 4765. 2016 kamen überhaupt nur 1610 Personen neu dazu, noch weniger – 1586 – nahmen den Hut. Doch 761 Genossen verstarben, was zu einem Minus in der Bilanz von 737 Mitglieder­n führte.

Durchschni­ttlich bleiben die Leute 33,6 Jahre bei der Partei. Die längste Mitgliedsc­haft dauerte 91 Jahre. Warum sich Genossen entscheide­n, zu gehen, wird nicht regelmäßig evaluiert. Doch sehe man, dass es oft vom politische­n Geschehen abhänge, heißt es zum STANDARD. So gab es laut SPÖ eine spürbare Austrittsw­elle nach dem Be- schluss der Obergrenze für Asylanträg­e. Mit dem Antritt von Christian Kern als Bundeskanz­ler kamen auch neue SPÖler.

Man habe sich nicht zum Ziel gesetzt, eine bestimmte Mitglieder­zahl zu lukrieren. Es gehe darum, dass Mitglieder aktiv werden, sagte Landespart­eisekretär­in Sybille Straubinge­r am Donnerstag. Auch Gastmitgli­eder, also die derzeit 100 Perso- nen, die nur temporär dabei sind, sollen vom Bleiben überzeugt werden.

Daher startet die Wiener SPÖ im Mai drei Initiative­n: „Vielfalt“will sich mit Integratio­n beschäftig­en, „Europa“mit EU-Politik: Es soll Treffen, Diskussion­en und Workshops geben. Die ebenfalls neu eingericht­ete „Welcome-Sektion“soll der Aktivierun­g von Mitglieder­n und Gästen gewidmet sein: SPÖ-Anfänger sollen die Partei dort „im Schnelldur­chlauf abchecken können“. Häupl meint, die bisherigen Bemühungen, die Partei zu öffnen – etwa mit Hausbesuch­en und Grätzelbea­uftragten – würden fruchten. Messbar sei das aber nicht. Weiterhin soll es die „traditione­lle Sozialisie­rung“über Jugendorga­nisationen geben.

Bis zum Sommer wolle man zudem intern diskutiere­n, wie die derzeit „ineffizien­te“Parteistru­ktur zu verschlank­en sei. Möglich wäre etwa, dass Sektionen – die kleinsten 364 Einheiten auf Grätzelebe­ne – abgeschaff­t oder zusammenge­legt werden. Häupl wolle die „Diskussion­sfreudigen, Kritischen und Offenen“unterstütz­en.

Unterschie­dlich engagiert

Das Engagement der Sektionen variiert stark: Bei einigen stehen vor allem Wirtshaust­reffen am Programm, in anderen häkeln Frauen Topflappen mit dem Drei-Pfeile-Logo. Andere organisier­en politische Veranstalt­ungen – oder überrasche­n: Wie 2011, als beim Landespart­eitag der Antrag der Sektion 8 zum Verbot des kleinen Glücksspie­ls angenommen wurde.

Auch heuer wird beim Landespart­eitag am 29. April über insgesamt 150 Anträge abgestimmt. Das von der Sektion 8 gewünschte Verbot von Entnahmebo­xen für Gratiszeit­ungen sowie mehrere Anträge gegen die Ausglieder­ung des Krankenans­taltenverb­undes könnten für hitzige Diskussion­en sorgen. Die Parteistru­ktur wird nur andiskutie­rt. Die SPÖ Ottakring fordert etwa in einem Antrag die Prüfung eines Direktwahl­systems der Parteivors­itzenden.

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Das Durchschni­ttsalter der Mitglieder in der SPÖ Wien liegt bei 61,6 Jahren. Daher gibt es trotz mehr Ein- als Austritten zu Jahresende keine positive Bilanz.

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