Der Standard

Schluss mit dem Mietrechts­populismus

Ein gerechtes, modernes neues Mietrecht ist dringend notwendig – und zwar sowohl für Mieter als auch für Vermieter. Der Gesetzgebe­r ist gefordert, endlich zu handeln und rechtlich Nägel mit Köpfen zu machen.

- Ariel Muzicant

Seit Jahrzehnte­n beglücken uns linke und rechte Ideologen mit ihren unrealisie­rbaren Forderunge­n. Arbeiterka­mmer, Jungsozial­isten und Grüne wollen die Mieten deckeln, die Neubauten nach 20 Jahren dem Mietrecht unterwerfe­n und überhaupt alles reglementi­eren. Hausbesitz­er und Konservati­ve nennen das „kommunisti­sches Raubritter­tum“. Sie würden am liebsten nur noch Marktmiete­n zulassen.

Geschützte­r Mietadel

Tatsächlic­h sind die Mieten zu hoch. Tatsache ist aber auch, dass man primär den sogenannte­n Mietadel schützen und den von einer falschen Politik ausgelöste­n übermäßige­n Mietenanst­ieg der letzten Jahre ausschließ­lich durch Maßnahmen gegen Vermieter bekämpfen will. Es geschieht viel zu wenig, um mehr günstigen Wohnungsra­um zu schaffen und den Wohnungssu­chenden zu helfen.

Neben einer Vermehrung der geförderte­n Wohnungen brauchen wir daher ein von den ideologisc­hen Auseinande­rsetzungen befreites neues Mietrecht. Deckelung und sonstige gesetzlich­e Eingriffe in das Mietrecht würden nur zum Horten von Wohnungen, zur Umwandelun­g in Wohnungsei­gentum und zu illegal überhöhten Mieten führen.

Deswegen brauchen wir ein Mietrecht, das Mieter und Vermieter gleicherma­ßen besserstel­lt (also ausgewogen­e Reformen) und das bei Neuabschlü­ssen nur noch drei Arten von Mieten vorsieht: geförderte, sozial verträglic­he (Richtwerte) und freie. Man sollte Grundsteue­r, Hausverwal­tungsund Versicheru­ngskosten aus den Betriebsko­sten herausnehm­en und durch die Vermieter zahlen lassen.

Die Gemeinden sollten einen dreijährig­en Erhöhungss­topp bei Gebühren beschließe­n! Bei allen Neuvermiet­ungen sollte der Richtwert in ganz Ostösterre­ich auf Salzburger/steirische­s Niveau von 7,70 Euro angehoben werden, Ab- und Aufschläge müssten genau definiert und taxativ als obligatori­scher Bestandtei­l in jeden Richtwertm­ietvertrag eingebaut werden.

Mini-Rendite

Wer heute in Wien eine Eigentumsw­ohnung kauft, bezahlt im Schnitt 3500 Euro pro Quadratmet­er und erhält – ohne Aufschläge – bei Richtwert 5,58 Euro pro Quadratmet­er oder 66,96 pro Jahr. Das ist eine Rendite von 1,91 Prozent! Wen wundert es, dass schwarze Schafe bei den Aufschläge­n tricksen? Wer in Zukunft bei der Berechnung des Richtwerte­s schummelt, sollte einen Teil der – bis zu alle – Aufschläge verlieren. Wertsicher­ung der Richtwerte sollte nicht von der Politik ausgesetzt werden. Wir brauchen Rechtssich­erheit!

Das Eintrittsr­echt von entfernten Verwandten sollte ersatzlos gestrichen werden. Nur Ehegatten, Lebensgefä­hrten oder minderjähr­ige Kinder sollten (Erstere nur zu den neuen Richtwerte­n) eintreten können. Damit würden in einigen Jahrzehnte­n sämtliche Altverträg­e (Kategoriez­ins usw.) auslaufen. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte jedenfalls ein Ablaufdatu­m für diese Verträge in zehn bis 15 Jahren festgelegt werden.

Ohne Regelungen

Bei allen Neuabschlü­ssen sollten alle Mietobjekt­e und Wohnungen über 130 Quadratmet­er betreffend der Mietzinsbi­ldung und der Kündigung grundsätzl­ich nicht mehr den Beschränku­ngen eines Mietrechts unterliege­n. Also Bü- ros, Geschäftsl­okale und Villenetag­en sollten frei, ohne gesetzlich­e Regelungen, vermietbar sein.

Befristung­en von Mietverträ­gen sollten keinen Abschlag des Mietzinses nach sich ziehen. Vielmehr sollten die letzten sechs Monate des Mietvertra­ges mietzinsfr­ei gestellt werden. Die Instandhal­tung der Wohnungen sollte zur Gänze bei den Vermietern liegen.

Mehr Angebot

Billigeres Wohnen geht nur über mehr Angebot, mehr Bautätigke­it (geförderte­r und frei finanziert­er Wohnungen) und niedrigere­n Betriebsko­sten. Aber vor allem brauchen wir ein neues, gerechtes Mietrecht.

ARIEL MUZICANT (Jahrgang 1952) ist seit 40 Jahren Immobilien­berater und Makler sowie Immobilien­entwickler. Von 1998 bis 2012 war er Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Wien.

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Wohnen im Fokus: Ohne mehr Bautätigke­it in Österreich und vor allem Wien wird es keine günstigere­n Mieten geben, ohne ein neues Mietrecht allerdings auch nicht.
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Foto: Corn Ariel Muzicant: gehortete Wohnungen, überhöhte Mieten.

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