PRESSESTIMMEN
Die deutschen Zeitungen schätzen die Lage vor der Wahl in Frankreich so ein:
(Hamburg) Die relevante Frage ist doch nicht das „Für“oder „Gegen“Brüssel, sondern nur das „Wie“einer Kooperation, die vorangetrieben werden muss. Ein „Weiter so“mit demokratisch entmündigten Völkern, die über ökonomische Anreize zur Ordnung gerufen werden, besiegelt den Zerfall. Hier nur zwei Schlagwörter: Wollen wir einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum im Interesse der Konzerne? Oder wollen wir nach Brexit und Trump ein global handlungsfähiges Kerneuropa, weil unsere Nationalstaaten zu schwach sind, als dass jeder von ihnen alleine unsre liberale Lebensform verteidigen und auf die politische Gestaltung eines wild gewordenen Finanzmarktkapitalismus Einfluss nehmen könnte? Jürgen Habermas
(Berlin) „Tout sauf Le Pen“– alles außer Marine Le Pen. Mehr falle Deutschland zur Präsidentschaftswahl in Frankreich nicht ein, schrieb jüngst ein französi- sches Politmagazin. Und es hat recht damit. Deutschland gruselt sich vor einem Sieg der Front-National-Anführerin – und übersieht andere epochale Fragen.
Diese „Alles außer“-Haltung ist hierzulande recht üblich geworden beim Blick auf Abstimmungen im Ausland. Alles außer Brexit, alles außer Trump, alles außer Hofer, alles außer Wilders. Als es zum Brexit kam, als Trump gewann, war die Bestürzung groß.
Als FPÖ-Kandidat Norbert Hofer die Bundespräsidentenwahl in Österreich knapp verlor, atmete Deutschland auf. Als Geert Wilders’ Partei in den Niederlanden de facto eine Niederlage kassierte, jubelte Deutschland.
Und ging zur Normalität über. Zu welcher Normalität aber bitte? In der Europäischen Union ist Normalität längst passé. Die zwei Fundamente für Wohlstand und Sicherheit in Europa, die gemeinsamen Grenzen und die gemeinsame Währung, sind morsch und brüchig. Das ist nicht normal.
Unter Druck hatten die schwachen Fundamente nachgegeben, in der Euro-Krise und in der Flüchtlingskrise. Europa wird nur behelfsmäßig gestützt, die intakte Basis fehlt. Eine Zukunft hat es aber nur mit einem neuen soliden Fundament. Klaus Geiger