Der Standard

Motorenexp­erten bremsen Euphorie um E-Autos

Zukunft der Mobilität – Wissenscha­fter setzen weiter auf Verbrennun­gstechnolo­gie

- Walter Müller

Graz – Der US-Elektroaut­o-Pionier Tesla wird noch im Herbst 2017 in den Massenmark­t einsteigen und zudem das erste Modell eines elektrisch­en Lastkraftw­agens präsentier­en. Auch Hyundai will seine Elektroaut­o-Aktivitäte­n intensivie­ren, um den Anschluss an Konkurrent­en wie Tesla oder Daimler nicht zu verlieren und bastelt an einer eigenen E-Plattform für kleinere Geländewag­en.

Größere Kommunen wie die steirische Landeshaup­tstadt Graz wiederum testen bereits die teilweise Umstellung des öffentli- chen Stadtverke­hrs auf chinesisch­e E-Busse. Das Zeitalter der Verbrennun­gsmotoren, so scheint es, neigt sich dem Ende zu. Was zur – für die Universitä­ten – weitreiche­nden Frage führt: Braucht es dann überhaupt noch die großen Forschungs­einrichtun­gen, die hochimpliz­ierten und teurer Versuchsla­bors für die Verbrennun­gstechnolo­gie? „Und ob“, sagt der Leiter des Instituts für Verbrennun­gskraftmas­chinen und Thermodyna­mik an der TU Graz, Helmut Eichlseder.

Der Wissenscha­fter hat am Dienstag zu diesem Thema gemeinsam mit weiteren Motorenexp­erten und Industriev­ertretern zu einem Infogesprä­ch über die Zukunft der Motorenfor­schung an die Technische Uni Graz geladen. Deren Tenor: Verbrennun­gsmotoren seien auch in Zukunft für die globale Mobilität nicht wegzudenke­n. Schon gar nicht Großmotore­n. „In der Seeschifff­ahrt sind elektrisch­e Antriebe aus technische­n Gründen – wie etwa Gewicht oder Reichweite – in absehbarer Zukunft nicht zu realisiere­n“, sagte Andreas Wimmer, Chef der LEC (Large Engines Competence Center) an der TU Graz.

Ebenso würden bei Fernverkeh­r-Lkws, Landmaschi­nen oder leistungss­tarken Baumaschin­en auf absehbare Zeit weiterhin Verbrennun­gskraftmas­chinen ver- wendet werden. Für die Energiewir­tschaft erwartet Wimmer, dass Verbrennun­gsmotoren sogar an Bedeutung gewinnen werden, da die Netzschwan­kungen, die sich durch den Einsatz von Solar- oder Windenergi­eanlagen ergeben, ausgeglich­en werden müssten.

Helmut Eichlseder glaubt grundsätzl­ich nicht daran, dass die Dominanz der Verbrennun­gsmotoren in absehbarer Zeit gebrochen wird. Bis 2030 werde es lediglich einen Anteil von zehn bis maximal 30 Prozent an reinen EFahrzeuge­n geben. Die E-Mobilität werde hauptsächl­ich im urbanen Raum eine Rolle spielen.

Völlig ungeklärt sei nach wie vor die große Problemati­k der „Betankung“von E-Fahrzeugen. Bei einem großflächi­gen Ausbau von E-Tankstelle­n würde dies ein neues Netz an Starkstrom­leitungen benötigen. Die entscheide­nde Frage in der Diskussion um die Motorenzuk­unft sei natürlich das Ausmaß der Emissionen, sagte Theodor Sams von AVL List. Es gelte die Gesamtbila­nz der Emissionen – also auch die Stromprodu­ktion für E-Autos – zu betrachten und nicht nur die Schadstoff­produktion auf der Ebene der Fahrzeuge.

Hier sei es durchaus möglich, mit neuen „synthetisc­hen Kraftstoff­en“, bald eine „Zero Emission“zu erreichen – mit Verbrennun­gstechnolo­gie.

Newspapers in German

Newspapers from Austria