Gewalt nach verweigertem demokratischen Wechsel
Während Anhänger der nationalkonservativen Regierungspartei am Donnerstag im Parlament in Skopje die Opposition mit Gewalt attackierte, versuchte das Mastermind des Regimes, Nikola Gruevski, in Wien mithilfe der ÖVP sein Image aufzupolieren.
Skopje/Tirana – Ein Mann riss die Vizechefin der sozialdemokratischen Oppositionspartei SDSM brutal an den Haaren zu Boden. Andere sogenannte Demonstranten warfen Gegenstände auf die anwesenden Abgeordneten und Journalisten. Der albanische Mandatar Zijadin Sela lag blutüberströmt auf dem Boden. Oppositionschef Zoran Zaev blutete auf der Stirn. Einige Leute mussten ins Spital gebracht werden, andere konnten erst in der Nacht aus dem Parlament evakuiert werden.
Am Donnerstagabend waren die Schergen des Regimes losgelassen worden. Die Gewalt gegen die mazedonischen Abgeordneten im Parlament in Skopje war alles anderes als spontan. Die Leute, die das Abgeordnetenhaus stürmten, waren bereits seit Wochen auf Eskalation eingeschworen worden.
Es handelte sich um organisierte Anhänger der Regierungspartei VMRO-DPMNE, die seit März täglich auf die Straße gehen, um zu verhindern, dass die SDSM und drei Albaner-Parteien eine Regierung bilden können. Am Donnerstagabend entschied sich die Opposition nach wochenlangem Zögern dazu, einen Parlamentspräsidenten zu wählen und damit die Regierungsbildung einzuleiten.
Wechsel verhindern
Die VMRO bezeichnete die Wahl umgehend als ungesetzlich – sie hatte diese bisher mit Dauerreden (Filibuster) verhindert. Zusätzlich verweigerte Staatspräsident Gjorge Ivanov, der der VMRO und deren Chef Nikola Gruevski nahesteht, der Opposition ein Mandat zur Regierungsbildung zu geben – gegen jegliche verfassungsrechtliche Grundlage und demokratische Regeln. Gruevski selbst, gegen den in Mazedonien Untersuchungen wegen Korruption und Amtsmissbrauch laufen, befand sich indes in Wien.
Er besuchte am Donnerstag die Schwesterpartei der VMRO, die ÖVP. Der Mann, der in den vergangenen zehn Jahren Schritt für Schritt ein autokratisches, nationalistisches Regime mit Vetternwirtschaft und Korruption aufgebaut hatte, in dem die Bürger massenweise bespitzelt wurden, wurde sogar von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka empfangen (siehe Geschichte links unten).
„Das diskreditiert Österreich und die EU im Beitrittsprozess, wenn die Volkspartei Gruevski so hofiert“, kritisierte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, am Freitag in Tirana. Man müsse vielmehr klarstellen, dass Wahlergebnisse akzeptiert werden müssten und Demokratie Wechsel bedeute, so Lunacek.
Regierungsbildung schützen
In EU-Kreisen wird nun überlegt, dass EU-Abgeordnete, EUKommissar Johannes Hahn und EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach Skopje fahren sollten, wenn es zu einer Regierungsbildung kommt, um ebendiesen Prozess zu „schützen“. Die EU und die USA verurteilten die Gewalt am Donnerstag, Russland kritisierte, dass EU, USA und Nato sich einmischen würden. In der EU wird nun auch ernsthaft über persönliche Sanktionen (Einfrieren von Geldern, Reisesperre) gegen Gruevski nachgedacht. Bisher waren Ungarn und Polen allerdings dagegen.
In der Nacht nach den Geschehnissen distanzierten sich Gruevski und Ivanov von der Gewalt. Dennoch blieb die Frage offen, wieso die Polizei nicht verhindert hatte, dass der Mob überhaupt ins Parlament eindringen konnte. Die Polizei steht unter starkem Einfluss der VMRO. Präsident Ivanov lud die Parteichefs zu einem Gespräch am Freitag ein. Doch Zaev kam nicht. Die SDSM argumentierte, Ivanov sei Teil des Szenarios und verantwortlich für die Gewalt, weil er einen friedlichen Machtwechsel nicht zugelassen habe. Mazedonien steckt seit zwei Jahren in einer tiefen Krise.
Möglich ist nun, dass sich die SDSM und die drei Albanerparteien von der sogenannten „TiranaPlattform“distanzieren, gegen die die VMRO mobilisiert. Es handelt sich um Forderungen der mazedonischen Albaner-Parteien in Tirana von vergangenem Dezember. Man könnte nun der VMRO den Wind aus den Segeln nehmen, indem man die Tirana-Plattform für erledigt erklärt.