Mehr Wettbewerb: EU-Plan sorgt für Aufregung
Dienstleister sollen leichter über die Grenzen arbeiten können. Ein elektronischer „Pass“und ein Vetorecht bei Berufsschranken lösen aber heftige Gegenwehr Österreichs, Frankreichs und Deutschlands aus.
Brüssel/Wien – Die Reform der Gewerbeordnung steht, die Reglementierung von Handwerk und anderen Berufen bleibt damit weitgehend bestehen. Doch fraglich ist, ob derartige Zugangsbeschränkungen für Baumeister, Reisebüros oder Gärtner in Europa noch lange haltbar sind. Der Druck aus Brüssel auf einen Abbau der Hürden im Bereich der Dienstleistungen steigt jedenfalls. Sehr zum Missfallen von Österreich, Deutschland und Frankreich.
Sie wehren sich mit aller Kraft gegen den jüngsten Liberalisierungsversuch der EU-Kommission. Diese findet, dass der Binnenmarkt für Dienstleister nicht ausreichend funktioniert, und will eine einheitliche elektronische Servicekarte einführen, die gleich einem Pass zur Geschäftstätigkeit in der ganzen Union befugt. Dieser Ausweis würde im Herkunftsland ausgestellt und per Onlinekartei für alle Länder einsichtbar. Nicht nur das Handwerk, auch Ingenieure, Apotheker, Rechtsanwälte oder Ärzte befürchten, dass die Zugangskriterien für ihre Berufe ausgehebelt werden.
EU-Vizekommissionspräsident Jyrki Katainen hat zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, indem er die Mitgliedsstaaten von Reglementierungen abhalten will. Wer neue Berufsregulierungen einführen oder bestehende adaptieren will, soll sich künftig vorab eine Genehmigung der EU-Kommission einholen müssen, heißt es in seinem Entwurf. Berlin, Paris und Wien haben auf die Einmischung mit einer sogenannten Subsidiaritätsrüge reagiert. Damit können sich Mitgliedsstaaten wehren, wenn sie eine Regelungskompetenz der Kommission in Abrede oder Bestimmungen als hältnismäßig erachten.
Besonders deutlich hat sich die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries gegen die Brüsseler Pläne ausgesprochen. Man lasse sich Errungenschaften der dualen Berufsausbildung, der Meis- stellen unver- terpflicht und der Sozialpartnerschaft „nicht kaputtmachen“. In Österreich hat der dafür ebenso wie der Nationalrat zuständige Bundesrat entsprechende Beschwerden verfasst. Allerdings kommen die drei kritischen Staaten nicht auf die notwendigen Stimmen von einem Drittel, um die Kommission zur Überarbeitung ihrer Pläne zu zwingen.
Die Institution bleibt somit bei ihrer Marschroute. Sie bestreitet, mit dem Entwurf in Berufszugangsregelungen, wie in der Gewerbeordnung festgelegt, oder in Qualitätsstandards eingreifen zu wollen. Das Dienstleistungspaket habe lediglich das Ziel, bereits bestehende Vorschriften praktikabler zu machen, sagte eine Sprecherin zum Standard. Derzeit führten administrative Hürden zu Kosten von 10.000 Euro, wenn beispielsweise ein österreichischer Ingenieur in Deutschland oder Frankreich aktiv werden wolle. Mit der elektronischen Dienstleistungskarte würden derartige Schritte lediglich vereinfacht, nicht aber die Kontrollmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten tangiert.