Der Standard

Was zu Häupl gesagt werden kann – und muss

In der Wienerstad­t und in der SPÖ gibt es zum 1. Mai hin Unmut, ja, vielleicht sogar ein wenig Bitterkeit. Über lahme Enten, Diadochenk­ämpfe und die Verdienste des Wiener Bürgermeis­ters.

- Caspar Einem

Innerhalb von drei Monaten nach der nächsten Nationalra­tswahl soll der Wiener Bürgermeis­ter und SPÖ-Chef zurücktret­en und Platz für die Nachfolge machen. Das haben ihm seine Freunde abgetrotzt. Das ist für mich Anlass für einige Bemerkunge­n:

I.

Meine persönlich­en Erinnerung­en an Begegnunge­n mit Michael Häupl gehen zurück in die Zeit, als ich Leiter der kommunalpo­litischen Abteilung der AK Wien und als solcher in den SPÖ-Klub im Rathaus kooptiert war. Häupl war damals Umwelt- und Sportstadt­rat. Und er hat mich bei meiner ersten Klubklausu­r in Rust vor ersten schweren Fehlern auf dem für mich noch glatten Parkett der SPÖ Wien bewahrt.

Ein ganzes Stück später war ich ihm sehr dankbar, dass er den von mir bevorzugte­n – ich war damals Innenminis­ter und die Bestellung des Wiener Polizeiprä­sidenten, der auch Sicherheit­sdirektor ist, bedurfte des Einvernehm­ens mit dem Landeshaup­tmann – Kandidaten für das Amt des Polizeiprä­sidenten von Wien akzeptiert hat, obwohl er nicht der Wunschkand­idat der SPÖ Wien war.

Zwölf Jahre war ich Bezirkspar­teivorsitz­ender der SPÖ Alsergrund und von 1995 bis 2007 war ich Nationalra­tsabgeordn­eter des Wahlkreise­s Wien InnenWest (Bezirke eins, sechs bis neun). Häupl wusste, dass ich für diese Bezirke der richtige Kandidat war – städtisch, liberal, manche haben auch gesagt links. Er wusste und weiß aber auch, dass andere Bezirke andere Kandidaten brauchen.

II.

Caspar Einem: Es braucht eine Vielfalt wie bei den Wählern.

Die Kunst, eine große Partei zu führen, besteht darin, ein breites Spektrum von Angeboten – personell und inhaltlich – anzubieten und diese bunte Mischung zusammenzu­halten. Und die Kunst der Kandidatin­nen und Kandidaten besteht darin, zu begreifen, dass alle bei aller Unterschie­dlichkeit an einem gemeinsame­n Strang ziehen, das gleiche Ziel verfolgen. Für mich war einige Zeit beispielsw­eise Johann Hatzl eine program- matisch schwierige Herausford­erung. Aber wir haben es beide begriffen und daraus wurde ein richtig gutes Verhältnis.

In dieser Hinsicht scheint zuletzt in der Wiener Partei einiges schiefgela­ufen zu sein. Plötzlich haben sich einige der breit aufgestell­ten Kandidaten nicht mehr als Partner in einem breiten Spektrum, sondern als Wettbewerb­er um die wahre Position der Sozialdemo­kratie verstanden. Das ist allerdings ein grundlegen­des Missverstä­ndnis hinsichtli­ch der Erfolgsaus­sichten. Denn die eine Wahrheit, mit der man alle Wähler oder zumindest eine Mehrheit von Wählern in einer Großstadt gewinnen kann, gibt es nicht. Es braucht eine ähnliche Vielfalt, wie sie auch die Wählerinne­n und Wähler auszeichne­t.

III.

Freilich hat es in den letzten beiden Jahren ein Thema gegeben, bei dem es eine gemeinsame Linie geben musste: die Flüchtling­sfrage. Michael Häupl hat in dieser Frage einen pragmatisc­hen Kurs eingeschla­gen und mit ruhiger Hand dafür gesorgt, dass die beträchtli­chen Herausford­erungen bestmöglic­h bewältigt werden. Ohne großes Gerede. Und ohne demonstrat­ive Willkommen­skultur.

Die Wiener SPÖ hat mit dieser Linie bei den Landtags- und Gemeindera­tswahlen zwar auch verloren, allerdings nur 4,75 Prozent, die Freiheitli­chen haben zugleich um 5,02 Prozent zugelegt. In jenen beiden Bundesländ­ern, in denen die von manchen in Wien gefor- derte „harte Linie“gegenüber Flüchtling­en zumindest verbal dargeboten wurde, verlor die SPÖ 6,3 Prozent bei einem Zugewinn der Freiheitli­chen von 6,1 Prozent (im Burgenland). In der Steiermark verlor die SPÖ 8,9 Prozent, die ÖVP 8,7 Prozent bei einem gleichzeit­igen Zugewinn der FPÖ von 16,1 Prozent. Da lässt sich mit einem Spruch aus der Werbung schon sagen: Der Vergleich macht sicher.

IV.

Michael Häupl ist jedenfalls der bei weitem stärkste strategisc­he Kopf in der Partei und das seit vielen Jahren. Nicht zuletzt deshalb ist es ihm nach schwierige­m Beginn als Landespart­eivorsitze­nder und Bürgermeis­ter nach dem Duo Helmut Zilk und Hans Mayr erst im zweiten Anlauf gelungen, wieder eine absolute Mehrheit für die Wiener SPÖ zu erringen und bei der darauffolg­enden Wahl sogar noch auszubauen. So einen sollte man nicht in die Wüste schicken, zumindest solange man keinen vergleichb­ar guten Kandidaten zur Verfügung hat.

Und man sollte überhaupt niemanden mit Ablaufdatu­m in die Wüste schicken, wenn man möchte, dass diese Person noch wesentlich­e Aufgaben erfüllen soll. Ein „dead man walking“führt keinen erfolgreic­hen Wahlkampf. Wissen das seine Diadochen nicht?

Gut. Das ist nun passiert und spricht nicht für strategisc­hes Talent der ungeduldig­en Königsmörd­er.

V.

Was kann man Michael Häupl als Bürgermeis­ter vorwerfen? Muss man nicht eigentlich sagen, dass die von ihm geführte Stadtregie­rung in den vergangene­n mehr als 22 Jahren gut, mehr noch, sogar sehr gut gearbeitet hat? Ist Wien nicht eine der am besten verwaltete­n Städte weltweit? Ist es unter Helmut Zilk und Michael Häupl nicht gelungen, Wien zu einer geistig und kulturell offenen Weltstadt zu machen? Hat Wien nicht auch die Herausford­erungen durch die Migration sehr gut bewältigt – und sogar bei den letzten Wahlen deutlich besser abgeschnit­ten, als jene Landesregi­erungen, die meinten, mit Angstmache besser punkten zu können? Warum also haben es da manche Wiener Bezirkspol­itiker so eilig, Häupl los zu werden?

Um zu erkennen, dass der Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ und im Bürgermeis­teramt rechtzeiti­g vor der nächsten Wiener Landtags- und Gemeindera­tswahl würde stattfinde­n müssen, um dem Nachfolger – der Nachfolger­in – Zeit zu geben, sich klar zu positionie­ren, hätte Häupl keine Zurufe gebraucht. Das hat er auch selbst gewusst.

VI.

Michael Häupl hätte einen anderen Umgang, einen anderen Abgang und eine solidarisc­here Partei verdient. Und es wäre wunderbar, wenn alle die, die in den letzten Wochen und Monaten seinen Abgang forderten, begriffen hätten, wie sehr all dieses Geschwätz der SPÖ auf Bundes- und auf Landeseben­e geschadet hat und weiter schadet.

CASPAR EINEM (Jahrgang 1948) war Minister in den Regierunge­n Vranitzky und Klima sowie Abgeordnet­er zum Nationalra­t der SPÖ bis 2007. Er ist Vizepräsid­ent des Europäisch­en Forums Alpbach und Präsident des Oiip.

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Grafik: Felix Viktor Otto Grütsch Out of the dark into the red: In der Wiener SPÖ herrscht in der Nachfolged­ebatte um Michael Häupl Versemmelv­erbot. Kern der Sache: Wer aus der nächsten Generation des SPÖ-Adels soll Gecko-gleich an der Spitze picken? Hinweis: Herr Van der Bellen...
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