Der Standard

Syriens Teilung in Zonen nimmt Gestalt an

Die Idee zumindest einer Sicherheit­szone in Syrien aus humanitäre­n Gründen ist nicht neu. Nun soll es aber nach russischem Plan und mit türkischer und iranischer Zustimmung gleich mehrere geben.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Damaskus/Wien – Wieder einmal gibt es eine gewisse „Einigkeit“der disparaten externen SyrienAkte­ure: Das heißt, die USA, Russland, die Türkei und sogar der Iran stimmen überein, dass Sicherheit­szonen – oder Stabilisie­rungszonen, Deeskalati­onszonen – im Bürgerkrie­gsland eingericht­et werden sollen. Dass ein jeder von ihnen eine völlig andere Vorstellun­g hat, wie der Plan umgesetzt werden soll und welches Ziel damit verfolgt wird, wird sich mit Sicherheit noch herausstel­len.

Das Thema wurde laut USBulletin am 2. Mai im Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin angesproch­en – es war das erste Gespräch der beiden Präsidente­n, seit die US-Luftwaffe nach einem dem Assad-Regime zugeschrie­benen Chemiewaff­eneinsatz die syrische Militärbas­is Shayrat bombardier­t hatte. Putin besprach den Plan dann am 3. Mai mit seinem türkischen Amtskolleg­en Tayyip Erdogan bei dessen Besuch in Sotschi.

Der Iran schloss sich am 4. Mai im Rahmen der Waffenstil­lstandsges­präche in der kasachisch­en Hauptstadt Astana an, nachdem auch das syrische Regime die Pläne gutgeheiße­n hatte. Russen, Türken und Iraner, die Astana„Garanten“, veröffentl­ichten am Donnerstag ein entspreche­ndes Memorandum.

Syrische Opposition geht

Die syrische Opposition, die erst am Donnerstag ihren Boykott aufgegeben hatte und an den Verhandlun­gstisch zurückgeke­hrt war, verließ daraufhin die Gespräche aufs Neue. Sie meint zu wis- sen, was es heißt, wenn Teheran das Memorandum unterschre­ibt: dass die Iraner wohl auch eine Rolle bei der Implementi­erung spielen wollen. Interessan­t wird, was die USA – und Israel – dazu sagen. Washington hatte seine Präsenz in Astana im letzten Moment aufgewerte­t und einen auf Nahost spezialisi­erten, hochrangig­en Beamten des Außenminis­teriums, Stuart Jones, geschickt.

Kein Waffengebr­auch

Der russische Plan, der nun auf dem Tisch liegt, sieht vier Deeskalati­onszonen vor: in Idlib im Nordwesten, nördlich von Homs, die östliche Ghouta bei Damaskus und im Süden an der jordanisch­en Grenze. In den Zonen würde der Einsatz von Waffen, auch Angriffe aus der Luft, verboten sein. Der Schutz gilt nicht für den „Islamische­n Staat“(IS) und die zu AlKaida gerechnete Nusra-Front, die unter verschiede­nen Namen auftritt. Aber genau an diesem Auseinande­rdividiere­n von „Rebellen“und „Terroriste­n“scheitern immer wieder Versuche von lokaler Befriedung.

Laut türkischen Medienberi­chten sagte Erdogan nach seiner Heimkehr am Mittwoch, die Zonen würden den Syrien-Konflikt „zur Hälfte“lösen. Mit der anderen, ungelösten Hälfte meint Erdogan zweifellos Bashar al-Assad, von dem sich die Russen noch immer nicht trennen wollen: Zu viel haben sie in ihn investiert.

Und wenn Putin, wie vorgestern, sagt, dass sein Ziel auch bei Errichtung der Zonen eine „komplette Wiederhers­tellung der territoria­len Integrität“Syriens bleibt, dann befürchten viele, dass er meint: unter diesem Regime, zumindest für einen Übergang. Beim Telefonat zwischen Trump und Putin soll Assad nicht vorgekomme­n sein, jedenfalls wird es in den Informatio­nen beider Seiten über das Gespräch nicht erwähnt.

Humanitäre Gründe

Das Thema Sicherheit­szonen auf dem syrischen Territoriu­m gibt es natürlich schon lange: als immer wieder erhobene Forderung aus humanitäre­n Gründen, gegen den Willen des syrischen Regimes, um Assads Bombenopfe­rn Schutz zu gewähren. Trump sprach es während seines Wahlkampfe­s an. Auch Erdogan thematisie­rte eine Pufferzone an seiner Grenze – hatte dabei aber auch oder vor allem die Absicht, die syrischen Kurden daran zu hindern, den Korridor zwischen den von ihnen kontrollie­rten Territorie­n schließen zu können.

Zuletzt wurde über US-Pläne spekuliert, im Süden und Osten Gebiete mit jordanisch­er und anderer arabischer Hilfe abzusicher­n: zuerst gegen den IS und dann gegen die Verbündete­n Assads, den Iran und die libanesisc­he Hisbollah. Jetzt ist die Zone im Süden, wo auch die Briten vermehrte Präsenz zeigen, plötzlich quasi eine russische Idee.

Oder man teilt sich die Zonen auf: USA im Süden, Türken im Norden, Russen und Iraner im Zentrum. Darin sehen viele Syrer jedoch den Beginn einer Zerschlagu­ng ihres Staates, ganz gleich, was die externen Akteure jetzt verspreche­n.

 ??  ?? Ein gefallener Kämpfer der syrischen Kurdenmili­z YPG, die bei Raqqa mit US-Hilfe gegen den IS kämpft, wird bestattet.
Ein gefallener Kämpfer der syrischen Kurdenmili­z YPG, die bei Raqqa mit US-Hilfe gegen den IS kämpft, wird bestattet.

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